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Alabasterurne mit mythischem Wagenrennen

Unbekannt-150

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Berlin, Deutschland

Die Urne besteht aus einem Kasten mit Reliefdarstellungen auf drei Seiten und einem Deckel mit der vollplastischen Darstellung eines gelagerten Mannes. Die Kastenfront zeigt innerhalb eines architektonisch gestalteten Rahmens in tief ausgearbeitetem Relief den Tod des Myrtillos. Myrtillos war der Wagenlenker des von Pelops beim Wagenrennen besiegten Königs Oinomaos von Pisa (in Elis). Der König hatte jeden Freier seiner Tochter Hippodameia beim Wagenrennen getötet. So bestach Pelops den Myrtillos, den eisernen Nagel an der Radnabe des königlichen Wagens durch einen Wachsstift zu ersetzen. Beim Wettrennen verlor der König ein Rad, stürzte und wurde von seinen Pferden zu Tode geschleift. Der Sieger tötete danach Myrtillos, als er sich an der Hippodameia vergreifen wollte bzw. von dieser bei Pelops verleumdet wurde. Die Tötung des Myrtillos ist ein Bildmotiv, das nur auf den Urnen aus dem Gebiet der etruskischen Stadt Volterra auftritt. Das Relief wird seitlich von ionischen Säulen eingefasst, die auf einer Bodenplatte stehen. Deren Rand ist mit Andreaskreuzmustern und Vierblattblüten zwischen dünnen Leisten verziert. Das von den Säulen getragene Gebälk ist mit Triglyphen und vierblättrigen Blüten dekoriert. Das sehr tief, mit fast vollrunden Figuren ausgearbeitete Relief zeigt in der Mitte den auf einen Altar geflüchteten Myrtillos in phrygischer Tracht. Von rechts eilt Pelops mit gezücktem Schwert herbei und packt das Stirnhaar des Flüchtlings mit der linken Hand. Der Heros trägt einen Pilos und ist nur mit einem über die Schulter geworfenen flatternden Himation bekleidet. Hinter ihm steht ein ›Pädagoge‹ mit phrygischer Mütze in kurzem Chiton und um die Hüfte geschlungenem Mantel, der sich erschrocken an die Stirn greift. Auf der anderen Seite versucht Hippodameia, das Wagenrad in der Hand des Myrtillos nach links wegzureißen. Die Schmalseiten schmücken geriefelte Amphoren mit Deckel in flachem Relief. Das Hauptbild lässt sich über zahlreichen Nachahmungen auf ein Urnenrelief zurückführen, das sich heute im Archäologischen Museum von Florenz befindet (Inv. 93484) und das nach dem mythologischen Motiv einem ›Myrtillos-Meister‹ zugeschrieben wird. Der reiche Schmuck dieses Vorbildes ist bei der Malacena-Urne vereinfacht. Trotz der Einbuße an Dynamik und barocken Formen zeigt das Relief jedoch eine besondere Dramatik, wie sie für die hochhellenistische Stilstufe charakteristisch ist. Die frontal ausgerichtete Deckelfigur zeigt einen gelagerten Mann in Tunika und Mantel, der sich halb aufgerichtet auf seinen linken Ellenbogen stützt, während seine ausgestreckte Linke eine Omphalosschale über das hochgezogene rechte Knie hält. Sein Lager ist mit einem stilisierten Tierfell bedeckt, und der Ellenbogen ruht auf einem doppelten Kissen mit Quasten. Das rundliche Gesicht des erhobenen Kopfes wird von kurzen Locken gerahmt, die unter einem gewundenen Haarreif hervorquellen. Die teilweise verkürzten Proportionen und der ornamental-trockene Stil der Gewandfalten wiederholen sich auf zahlreichen verwandten Urnen im Volterraner Gebiet. Die Berliner Alabasterurne wurde zusammen mit anderen im Familiengrab der Calisna Sepu-Familie in der Gemarkung Malacena bei Monteriggioni entdeckt. Die in den anstehenden Kalkstein gehauene Kammer mit Mittelpfeiler war über einen Treppengang von Westen her zugänglich. Auf und vor einer dreiseitig umlaufenden Felsbank wurden ca. 450 Objekte gefunden. Sie gehörten zu über 100 Bestattungen, wobei die Asche der Toten in Steinurnen, bemalten Vasen (›Volterraner Kelebai‹), unbemalten Ollen und Glanztongefäßen deponiert war. Als Beigaben fand man Gerät aus Bronze und Eisen – Waffen, Kandelaber, Gefäße, Spiegel – sowie Schmuck und Münzen. Hinzu kamen zahlreiche Tongefäße, u. a. der durch die Qualität ihres schwarzen Glanztonüberzuges besonders auffallenden ›Malacena-Ware‹. Aus diesen Beifunden konnte erschlossen werden, dass die Grabanlage vom 4. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. von den Calisna Sepu als Familiengrab benutzt wurde. Steinurnen traten dabei erst seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. auf. Zwei dieser Urnen überliefern in ihren Inschriften auch den Namen dieser offenbar zu den vermögenden ländlichen Großgrundbesitzern gehörenden Familie. Das Inventar des bereits 1893 entdeckten Kammergrabes ist heute über mehrere Museen verstreut, wobei die Bestände im Museum von Florenz und in Berlin besonders umfangreich sind.

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  • Titel: Alabasterurne mit mythischem Wagenrennen
  • Ersteller: Unbekannt
  • Datierung: -150
  • Ort: Monteriggioni
  • Abmessungen: w80 x h45 cm
  • Typ: Urnenkasten
  • Material: Alabaster
  • Sammlung: Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Inv.-Nr.: Sk 1706
  • ISIL-Nr.: DE-MUS-814319
  • Externer Link: Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
  • Copyrights: Text: © Verlag Schnell & Steiner / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Soi Agelidis || Photo: © b p k - || Photo Agency / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Erich Lessing
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