Jenseits erzählerischer Absichten nahm sich hingegen der junge Albrecht Dürer (1471– 1528) des Passions-Themas an. Der Maler aus Nürnberg hatte sich 1490 nach Colmar zu Martin Schongauer (um 1450– 1491) aufgemacht, der jedoch kurz vor Dürers Ankunft verstorben war. In einer Straßburger Werkstatt dürfte 1493 der »Christus als Schmerzensmann« entstanden sein, wiederum ein kleines Täfelchen für die private Andacht.
Albrecht Dürers Schaffen bildet einen Höhepunkt der deutschen Renaissance. Seine Innovationskraft belegt auch der Karlsruher „Schmerzensmann“, dessen lebendige Gestalt und menschlicher Ausdruck von dem intensiven Naturstudium des noch jungen Künstlers zeugen.
Das Werk stellt Christus mit Dornenkrone und den Leidenswerkzeugen dar. Sein Körper ist gezeichnet durch blutende Verletzungen und die Wundmale der Kreuzigung. In einer Art Grabhöhle ragt er hinter einer Steinbrüstung auf. Sein Kopf ruht schwer in der Hand des rechten Arms, den er auf das hochgezogene Knie gesetzt hat. Die Geste ist Ausdruck des Nachsinnens und Trauerns und zugleich ein Zeichen der Erschöpfung Christi, dessen fragender Blick auf uns gerichtet ist.
Das Bild stellt keinen bestimmten Augenblick in der Leidensgeschichte dar, sondern verweist auf die gesamte Passion und die Auferstehung. Neuartig ist hier die Verbindung zweier Typen: des „Christus in der Rast“, der vor der Kreuzigung über das ihm Bevorstehende nachsinnt, und des „Schmerzensmannes“, der die Betrachtenden mit geöffneten Augen fixiert.
Die feinen Darstellungen im Goldgrund wurden mit Nagelpunzen in Hunderten kleiner Pünktchen eingeschlagen und zeigen eine Eule, die von zwei Vögeln angegriffen wird – Symbol für den schuldlos Verfolgten. Daneben erinnern Distelranken an die Schmerzen Christi.
Die kleinformatige Tafel wurde für die private Andacht gemalt. Sie fordert die Gläubigen zur mitfühlenden Versenkung in das Leiden Christi auf.