Matthias Grünewald, eigentlich Mathis Neithart Gothart, gehört zu den überragenden Meistern der spätmittelalterlichen Kunst am Oberrhein.
In seiner einzigartigen Farb- und Lichtgebung sowie seinen erschütternden Darstellungen der Heilsgeschichte wird er von keinem Zeitgenossen übertroffen.
Unter den etwa 35 bekannten Zeichnungen seiner Hand ist die Karlsruher Darstellung des Gekreuzigten das größte erhaltene Blatt und vermutlich die einzige bewahrte Studie des Künstlers nach einem lebenden Aktmodell.
Das Motiv wurde entlang der Konturen von Körper und Kreuz ausgeschnitten und wohl im 17. Jahrhundert auf ein neues Blatt Papier geklebt. Während Grünewald auf seinen Gemälden den Gekreuzigten meist übersät von Wunden der Geißelung zeigt, scheint Christi Körper hier bis auf die Seitenwunde und die Nageleinschläge an Füßen und Händen unversehrt – auch die Nägel selbst fehlen. In einer ausgefeilten Technik modellieren feinste Schattierungen Arme, Rumpf und Beine der schlanken Figur. Die Konstruktion des roh behauenen Kreuzes ist ungewöhnlich: Der Querarm besteht aus zwei einzelnen Balken, die übereinander in den Schaft des Stammes gesteckt wurden und durch das Gewicht des angeschlagenen Körpers verkanten. Dass der Gekreuzigte selbst so zum Zusammenhalt seines Folterinstrumentes beizutragen scheint, unterstreicht die Brutalität der ihm zugefügten Qual. Auch trägt der Kontrast der rauen Oberfläche jener borkigen Rinde zur weichen Haut des exponierten Körpers wesentlich zur Ausdruckskraft der Szene bei: Wie eine grobe Folie hinterfangen die schrundigen Balken den fragilen Körper, dessen sanfte Modellierung seine verletzliche Schönheit offenbart.