Die Schmalseiten des Kapitells werden von jeweils einer großen Maske mit schräg nach unten gerichteten Augen, blattartiger Kopfbedeckung, gebogener Nase und gelängter Oberlippe eingenommen. Aus dem Mund wächst eine Ranke, die sich spaltet und deren verästelte Blattenden seitlich nach oben führen. An der beschädigten Längsseite befindet sich ein etwas kleinerer Löwenkopf. Seinem Maul entspringt ebenfalls eine zweiteilige Ranke, deren Enden sich mit denen der Maskenranken vereinen. An der anderen Längsseite ist eine männliche Figur zu sehen, die bislang weder genauer bestimmt noch in ihrer Handlung erkannt wurde. Es handelt sich um einen Mönch mit Tonsur und kurzer bzw. hochgeschürzter Tunika, dessen stark verdrehte Haltung und nach oben gewandtes Gesicht mit weit geöffnetem Mund und leicht heraus gestreckter Zunge (beschädigt) zweifellos Schmerz und Angst ausdrücken. Erst auf dem zweiten Blick erkennt man den groben Strick um seinen Hals, vielleicht den so zweckentfremdeten kordelartigen Gürtel seiner Kleidung; die Halspartie darüber ist straff und schmerzvoll gespannt. Das Ausgreifen der Hände – die linke umfasst die Ranke, die dem Mund der dortigen Maske entwächst, die rechte harkt ein sichelförmiges Winzermesser in die blattförmige Kopfbedeckung der anderen Maske – ist daher als verzweifelter Versuch zu deuten, dem Erstickungstod zu entgehen. Die gleichfalls unnatürliche Stellung der Beine dürfte Ausdruck des hilflosen Hängens sein. Möglicherweise verweist das Messer in der Rechten auf ein Vergehen des Mönchs im Weinberg oder seine Beschäftigung als Winzer. Drastische Darstellungen von erhängten Sündern oder bestraften Mönchen auf Kapitellen waren im Hochmittelalter geläufig. Sie richteten sich wohl vordergründig an ein monastisches Publikum und könnten als moralisierende Warnung verstanden worden sein. In Verbindung mit dem Lebensbaummotiv der Astsäule und dem Verweis auf die Weinernte (Apk 14,14) steht diese aber auch in einem eschatologischen Kontext.
Größe, vollrunde Bearbeitung und Längsausrichtung sowie das Thema sprechen zunächst für eine ursprüngliche Anbringung im Kreuzgang eines Mönchsklosters, doch ist natürlich auch ein anderer, durchaus nicht unbedingt monastischer Zusammenhang (Baldachin, Lettner) möglich. Die beiden Masken dürften Konsolen unter profilierten Arkaden (oder gar Rippen?) gewesen sein, was im Kreuzgang ebenso ungewöhnlich wäre wie die Unterteilung des Schafts durch einen mittleren Ring.
Wie auch die in Ranken verwobene oder bedrohte menschliche Figur ist das Motiv der Ranken speienden Kopfmaske in der Kapitellskulptur seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts allgemein verbreitet. Im erweiterten Maingebiet taucht es etwa auf einem Kapitell der Gelnhausener Pfalz, als Rankenanfänger am Westportal der Aschaffenburger Stiftskirche oder näher gelegen im sogenannten Kirchgang des Benediktinerklosters Amorbach südlich von Miltenberg auf.
Das Ensemble der ehemaligen Kreuzgangkapitelle von Amorbach (auch im Historischen Museum Frankfurt am Main und Stiftsmuseum Aschaffenburg), das in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert wird, scheint mit seiner Formenvielfalt (Kreuzbandknoten, profilierte Halsringe, achteckige Schäfte mit Kanneluren, Bündelsäulen etc.) eine Parallelerscheinung oder ein unmittelbarer Vorläufer des Berliner Stücks zu sein.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)