Scharfer und gratiger, kontrastreicher Druck von der Platte, die Domenico, der Adoptivsohn Giulio Campagnolas, wahrscheinlich nach dem Tode seines Vaters vollendete (1516). Offensichtlich war die rechte Bildhälfte, die sich durch die äußerst dichten, in den tiefen Schatten zu feingliedrigen Gittern gekreuzten Schraffenverbänden als Werk Giulios zu erkennen gibt, zu jenem Zeitpunkt bereits vollständig ausgeführt. Die Komposition geht in den Partien Giulios exakt auf eine zum Zweck der Übertragung durchstochene Federzeichnung im Louvre zurück [...].
Als Domenico die Platte übernahm, arbeitete er den wohl in seinen Augen zu statisch geratenen Waldausschnitt und zwei etwas steif dahockende alte Männer nicht aus - Komponenten, die auf der Zeichnung vorhanden sind, ebenfalls übertragen wurden und auch auf dem Abdruck trotz der Überstrichelungen noch deutlich in ihrem Linienmuster durchscheinen. Der jüngere Campagnola ersetzte sie in seiner expressiven und offenen Stichelführung durch eine bewegtere Vegetation und die kompliziert überschnittene Gruppe junger, musizierender Hirten. Ein auf der Vorlagen-Zeichnung ebenfalls fehlender Bach trennt die Anteile der beiden Künstler. Anregungen zu diesem bewußten, im Stilkontrast sehr anschaulich gemachten Temperatur- und Moduswechsel vom Stoisch-Meditativen ins Heiter-Melancholische mögen vom »Concert champêtre« Tizians ausgegangen sein (um 1509; Paris, Musée du Louvre).