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Documentos do Arquivo Pessoal de Gilberto Gil

Instituto Gilberto Gil

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Brasil

  • Título: Documentos do Arquivo Pessoal de Gilberto Gil
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    Berliner Zeitung / Sport In ,Balé de Berlim" singen Sie: „Der Karneval hilft nicht gegen den Hun- ger, so wenig wie der Heilige Johan- nes den Durst stillt. Doch nur allein von Brot lebt der Mensch auch nicht - darum lebe die Seleção. "Brauchen die Brasilianer das Spektakel des Fußballs, um das schwierige All- tagsleben zu vergessen? Sagen wir, zumindest in jener Phase, als Brasilien noch ein junges Land war und der Fußball eines der wichtigen nationalen Bindeglieder, sowohl in materieller wie in spiritu- eller Hinsicht. Darum ist für mich auch der erste WM-Gewinn 1958 derjenige, mit dem ich persönlich bis heute die meisten Gefühle ver- binde. Das ist so wie mit meiner ersten Tochter, sie wird immer mein Lieblingskind bleiben. Die WM in Schweden hat uns in der Welt bekannt gemacht und eine neue Qualität im Fußball definiert. Außerdem wurde der Mythos Pelé dort geboren. Seitdem fühlen wir uns zum Fußball hingezogen. Eine triviale Sache wie Fußball als nationaler Identifikationsfaktor? Der Fußball gehört einfach zu unseren sozialen, kollektiven Tätig. keiten und Festlichkeiten, das ist un- zweifelhaft und ich habe auch keine Probleme damit, das offen anzuer- kennen. Es ist so, wie ich es in dem Lied sage: Die Seleção kommt nach Berlin und hat einen Beschützer im Gepäck, den Senhor Bonfim, einen Beschützer, der das ganze Land eint. Die Musik ist ein anderes Bindeglied Brasiliens und Sie, Herr Gil, einer der bekanntesten Sänger des Lan- des. Vor kurzem habe ich zum ersten Mal ihren wunderbaren Song.Ela" gehört. Das klingt nach einem Lie- beslied für eine Frau ... ... nicht für nur eine Frau, son- dern für die Frauen, für die Weib- lichkeit: „a vida", das Leben, „a lua", den Mond, für all das, was die Frauen von den ern unter- scheidet. Und zu diesem weibli- chen Prinzip gehört für mich auch die Musik. „Ela“, sie, die Muse. In dem Lied heißt es: „Meine Musik, meine einzige Muse, die Frau, Mut- ter meiner Kinder, Inseln der Liebe, jede Insel ein Leuchtturm." Im Brasilianischen ist sogar ,a bola", der Ball, weiblich, bei uns hingegen ist männlich. Wir „schießen" den Fußball, im Brasilia- nischen hingegen redet man zum Beispiel auch häufig vom „Strei-. cheln". Ist das nur Zufall? Natürlich nicht. Wenn .a bola" in unser Sprache männlichen Ge- schlechts wäre wie,,der Ball", dann wäre wohl auch das Verhältnis der Spieler zu ihr, also a bola", ganz anders. Bei uns kann man auch Lie- S. 18 be mit dem Ball machen. Ein anderer weiblicher Begriff, der gerne bemüht wird, um zu erklären, warum die Brasilianer so gute Fuß- baller sind, ist,Ginga", ein Wort, das schwer zu übersetzen ist. „Ginga" bedeutet körperliche Befreiung, eine Begabung, sich ge- schickt zu bewegen, die Hüften schwingen zu lassen, sich schnell drehen zu können, unerwartete, schöne Bewegungen mit dem Kör- per zu vollführen. Der brasiliani- sche Fußball hat vor allem viel vom Kampftanz Capoeira übernom- men. Vom Capoeira kommt unsere körperliche Elastizität und Beweg- lichkeit. Was im Übrigen ebenso für die Frauen gilt, denn bei uns spie- len auch viele Frauen Fußball In Brasilien prägt das starke Körper- bewusstsein viele soziale Bereiche, vom Fußball bis zum Tanz, der einer der Schwerpunkte des Kulturfesti- vals.Copa da Cultura" ist. Hmm. Da bin ich mir nicht so si- cher. Ein spezifisches Körperbe- wusstsein? Das haben auch die Deutschen oder die Japaner und Amerikaner, eigentlich alle Völker. Ich würde eher sagen, die Art, wie wir uns zum Beispiel beim Fußball bewegen, ist nicht rational. Es ist vielmehr Intuition, in der sich ein derspiegelt. Im Gegenteil: Es ist ästhetischer, poetischer Willen wi- nicht Körperbewusstsein, sondern kollektive körperliche Unbewusst- heit, die es uns ermöglicht, uner- wartete Bewegungen zu vollführen, kreativ mit dem Körper zu spielen. Wo ich mehr Körperbewusstsein sehe, ist im deutschen Fußball. Der brasilianische Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira hat un- längst feststellen müssen, auch ein WM-Titel würde die gravierenden Probleme des Landes nicht lösen. Das stimmt, aber es gibt eben auch geistige Dinge, die im Leben wichtig sind. Darum singe ich ja: „Nur vom Brot allein lebt der Mensch auch nicht." Es sind nicht die materiellen Dinge allein, die ei- nen glücklich machen, Häuser, Au- tos oder Computer. Es gibt einen Reichtum immaterieller Art, den man nicht mit Geld bewerten kann. Gewinnt man solch einen immate- riellen Reichtum durch einen Titel bei der Fußball-WM - und verliert man ihn durch Niederlagen? Das kann, muss aber nicht so sein. In spiritueller Hinsicht gibt es eine solch gradlinige Logik nicht: Man kann auch verlieren und da-
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