Poplegende Gil gesagt haben, nimm
dieses Büro und sei genauso gut wie
auf der Bühne Zu Neujahr 2003 war
Gil, studierter Betriebswirt und
erprobter Bühnenstar, im Amt. Ein
modemer Troubadour, der seinen Busi-
ness-Class oder Privatflug mit der
Gitarre über dem Rücken antritt. Früh-
morgens absolviert er sein Yoga- und
Fitnessprogramm, tagsüber geht er
laut Beobachter ruhig und interes
siert seinen Ministergeschäften nach,
abends bereichert er durch seinen
Appeal und seine Auftritte die aufge-
weckte brasilianische Kulturszene. Auf
hochtrabenden Globalisierungs-Foren
wie den Musikfestspielen in Fez.
Marokko, oder dem Weltwirtschafts-
treffen in Davos verkörpert er den
Traumtyp von gesellschaftlichen
Gestaltern in komplexen Zeiten: Rede-
gewandt, charismatisch, kosmopoli-
tisch, am schnellen Puls der Zeit, für
so gut wie jede Mikrogruppe unserer
Gesellschaften attraktiv. tagsüber bei
jeder Podiumsdiskussion herzeigbar
und abends für eine Solo-Einlage Rap
oder Samba gut
Brasilien auf der Überholspur
Mit der Ernennung Gils zum Kulturmi
nister drückte Lula auf schillernde Art
aus, was das erwachte, demokratisch
gestärkte und vor allem neue linke
Brasilien der ersten Welt - zumindest
ideologisch - sagen will: Eure soge-
nannte dritte Welt ist auf der Ober.
holspur, und zwar leichtfüssig, weltge-
wandt und befreit von der kapitalisti
schen Zwangsjacke. Als Minister
machte es sich Gil zur Aufgabe, Brasi-
liens Image aus den Klischees von
Copacabana, Karneval und Fussball
herauszulösen. Er möchte den HipHop
als Ausdrucksform Jugendlicher in den
Slums gesellschaftlich akzeptabel und
massentauglich machen. Er setzt auf
Open Source Projekte, auf künstleri-
sche und basis-motivierte Kampagnen
zur Rettung des Regenwaldes, auf den
internationalen Appeal von Filmen wie
"City of God", und auf befreundete
Künstler, die er gegen den Welthunger
und Ungerechtigkeiten mobilisiert,
Ich bin wohl eher Diplomat als Politi-
kert, gibt Gil zu
Unstillbare Freude am Experiment
Vor vier Jahrzehnten landete Gil
wegen seiner radikalen musikalischen
Opposition gegen Brasiliens Militar
diktatur im Londoner Exil. Er hatte
dem Regime zuviel Furore als Vertre
ter van Tropicalia gemacht, jener
Der Kultmusiker als Kulturminister
Gilberto Gil verkoper den Traum
typ von gesellschaftlichen Gestal-
tem in komplexen Zeiten
friends against hunger and
injustice guess I am more a
diplomat than a politician,"
he admits Essentially, Gil con
win people for his causes. In
the post 20 years, he was
active in his hometown of
Salvador and later under the
government of President
Fernando Henrique Cardoso
usually focused on social, youth, and culture politics
Although 45 percent of Brazil's population is block,
Gil, as with Minister of Social Assistance and Promo
tion Benedito do Silva, is only the second black mini-
ster ofter soccer legend Pele. In contrast to his
lighter-skinned friend Caetano Veloso, Gil scores os
even more authentic representative of the masses
Probebühne Stadtpolitik
Hauptsache, er kann Leute für seine
Sache begeistern. In den vergangenen
Jahren engagierte er sich zuerst in Singing against the military dictatorship
der Stadtpolitik von Salvador und Four decades ago Gil was sent to London in exile for
danach lose unter der Regierung von his musical opposition to Brazil's military dictators-
Enrique Cardoso, und machte sich als hip. The regime understood the power of his success
Aktivist für lokale Sozial., Umwelt- os a representative of tropicalia, Brazil's popular
und Kulturpolitik einen Namen Auf
music-cum-lifestyle, which in the vein of the pro-
nationaler Ebene ist Gil, trotz 45 Protests and activist movements of the 1960s opposed
zent schwarzen Bevölkerungsanteils,
, the regime foudly clearly, but also, colorfully
zusammen mit Sozialminister Bene-
dita da Silva erst der zweite bzw.
dritte Schwarze Minister der brasilia-
nischen Geschichte nach der Fussbal-
legende Pele. Im Gegensatz zu seinem
hellhäutigeren Musikerfreund Caetano
Veloso gilt Gil als authentischerer Ver-
treter der Massen
After Gil had already studied the accordion and the
guitar in Salvador he soon
found himself fascinated
with the experimental music
of John Cage, Pierre Boulez
und Karlheinz Stockhausen
in London, he plunged into
the Swinging Sixties He
became friends with music
groups like Traffic and Pink
Floyd and inhaled emerging
fods such as yoga and the 12
tone music of Anton von
Weber, French at hims by
Jean-Luc Godard and
welcome
GIL
Privatgast für drei Wochen. Gilberto Gil flog mit Welcome
Air in die Konzertstadte seiner Europa Tourer Exclusive
guest for three weeks. Gilberto Gw tle with Welcome Airto
the destinations of his European concert tour
Francois Truffout, and various philosophies of the
Middle and Far East. He listened to the Beatles and to
Bob Marley Bock in Brazil, he embarked on projects in
microtonality with celist and sonic alchemist" Wor
ter Smetak, as well as with Rogerio Duarte and Marco
Antonio Guimaraes
Fusing styles, pioneering world music"
Long before his official political engagement Gil was
political messenger through his music Through his
popular albums and concerts, he integrated rock, reg
gee, funk, and afro-bohion sounds into sombo and
bossa nova Open to new forms Gil never sow cont
radiction between traditional Brazilian music and
international rock and pop. He understood early that
musicions from developing countries had to align
themselves with the music business of industrial
countries in order to convey their message in some
way rather than not at all Thus, Gil was a pioneer of
world music genre which now includes most tro-
ditional musical forms albeit in slightly new outfits
Catering to an ever growing audience, the world
musie" section of any music store now includes Romo
accordionists, Kyrgyz drummers, Cuban senior groups
Vice prodigies from Ghung und Mali and Brazilian
teenage percussionists
Gil's positive view of the global village
What is Gil's message to his activist fans that tend to
voice frustration about the inequities of globaliza-
tion? He reassures them by referring to music of the
world", rather than 'world music in an essay on his
Web site, he writes that the inclusive interpretation
of international contemporary music doesn't grantus
the luxury of cynical feelings of paralysis, or immobi
lity. To the contrary We perceive that things move in
their own rhythm. The confrontation of opposite for
ces is what moves us forward For example: In hoving
to serve the interests of the system to get their messo
ge across Bob Marley and his reggae brethren in
Jamaica never found themselves blocked from giving
their best to their work. There was no loss of anti-
Fluggast des Jahres: Gilberto Gil
brasilianischen Popularmusik, die sich
lautstark und bunt im Sinne der 6ler
Bewegung gegen das Establishment
richtete. Nachdem Gil bereits als
Jugendlicher in seiner nordbrasiliani
schen Heimatstadt Salvador Akkor-
deon und später Gitarre gelernt hatte
und fasziniert war von der experimen-
tellen Musik von John Cage, Pierre
Boulez und Karlheinz Stockhausen,
tauchte er in London mitten in die
Swinging Sixties. Er freundete sich mit
den Musikern von Traffic und Pink
Floyd an, inhalierte die Kunst des Yoga
genauso wie die Zwolftonmusik Anton
von Weberns, die französischen
Kunstfilme von Jacques Godard und
Francois Truffaut, und verschiedene
Philosophien des Nahen und Fernen
Ostens. Er hörte Beatles und Bob Mar-
ley. Zurück in Brasilien, startete Gil
gemeinsam mit dem Cellisten und
"Klangalchemisten" Walter Smetak,
mit Rogerio Duarte und Marco Anto
nio Guimaraes experimentelle Projekte
in der Mikro-Tonalitat
Vorreiter der Weltmusik
Gilberto Gilgalt lange vor seinem
politischen Engagement als politi-
scher Erneuerer durch seine Musik. In
seinen populären Alben und Konzer
ten integrierte er Rock, Reggae Funk
und afro-bahianische Rhythmen in
die brasilianischen Nationalschopfun-
gen Samba und Bossa Nova. Trotz und
wegen seiner Offenheit für neue For
men sah Gil nie einen Widerspruch
zwischen traditioneller Musik und
internationalem Rock und Pop, und
verstand früh, dass Musiker aus
armen Ländern sich mit der Musik
Authentischer Vertreter der Massen Gil genießt in Brasilien den Sta
tus eines Nationalhelden. Authentic representative of the masses. The
Brazilian celebrate Gwasanational hero
industrie der Industrienationen arran-
gieren mussten, um ihre Botschaft
besser effektiv als gar nicht vermit
teln zu können. Gil gilt daher als Vor-
reiter der Weltmusik, die inzwischen
als Genre die meisten traditionellen
Musikformen in neuem Gewand
inkludiert. In den Musikläden stehen
im Weltmu-
sik Regal
langst Roma-
Akkordeoni-
sten, kirgisi-
Sche Schlag-
zeuger, kuba-
nische Senior
Gruppen, gha-
nesische oder
malische
Stimmwunder und brasilianische
Teenage-Percussionisten
Gil mag Globalisierung
Gil beruhigt seine oft aktivistische
und über die Ungerechtigkeiten der
Globalisierung frustrierte Klientel in
einem Essay zur Weltmusik insofern,
als er der Musik der Welt" mehr
Ergebnisse zuschreibt als im Einzelfall
spürbar sein mag: ... Die umfas-
sende Interpretation internationaler
zeitgenössischer Musik erlaubt uns
nicht den Luxus zynischer Gefühle
von Lähmung oder Immobilitat. Im
Gegenteil. Wir merken, dass sich die
Dinge in ihrem eigenen Rhythmus
bewegen. Die Konfrontation von
gegensätzlichen Kräften lässt uns
wachsen. Beispiel: Obwohl sie ihre
Botschaft nur im Akkord mit dem
System hinüberbringen konnten, lie-
Ben sich Bob Marley und seine →
welcome
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