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SPIEGEL ONLINE - 23. Juni 2006, 08:27
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Brasilien-Japan
Zittern im Foyer Futebol
Von Fabian Grabowsky
Wenn Brasilien spielt, ist immer was los. Auf dem Platz und bei den Zuschauern. Es
sei denn, Brasilien trifft das Tor nicht, Japan geht in Führung - und die meisten
Brasilianer sind eigentlich Deutsche.
Berlin - Brasilien ist überall. Jeder mag den brasilianischen Fußball, jeder möchte ein
brasilianischer
Fußballer sein. Brasilientrikots sieht man fast so oft wie deutsche. Kein Land
war so erfolgreich: fünf Weltmeisterschaften, unzählige Fußballlegenden.
Im Berliner "Haus der Kulturen der Welt" läuft passend zur
Weltmeisterschaft das Kulturfestival "Copa da Cultura". Die
brasilianischen Musiklegenden Chico Buraque, Bebel Gilberto und
Gilberto Gil waren da oder kommen noch, in den
Ausstellungsräumen wird das brasilianische Siebziger-Jahre-
Hippie-Design "Tropicália" gefeiert. Aber die jüngere
brasilianische Kulturgeschichte interessiert hier heute Abend
niemanden.
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Gebannt verfolgen die Fans im
"Haus der Kulturen" das
Fußballspiel
Anders als das nüchterne Foyer, das die Macher in "Foyer
Futebol" umgetauft haben. Vor einer Großbildleinwand haben
sich ungefähr 200 Zuschauer versammelt, um sich das Spiel
Brasilien-Japan anzusehen. Ganz vorne sitzen einige Brasilianer
mit gelben Trikots, Trommeln und Tröten. Hinter ihnen fläzen sich die anderen Zuschauer auf
schwarzen Kissen, die sie auf den Boden gelegt haben, oder auf Minitribünen. An den Säulen
hängen abwechselnd gelbe und grüne Scheinwerfer und die Ordner tragen gelbgrün. Die
Stimmung ist aufgeräumt. Als jemand ein Bier verschüttet, kommt sofort ein Putzmann.
Hohe Erwartungen
Und die Erwartungen sind eindeutig. "Die Japaner sind gut mit Computern, aber nicht im
Fußball", sagt eine Brasilianerin. Die Ergebnistipps beginnen auf der nach oben weit offenen
Futebol-Skala ganz unten bei 2:0. "Brasil, Brasil", skandiert das Grüppchen vorne, einer
schlägt dazu eine Trommel und weil in dem Fünfziger-Jahre-Foyer alles aus Beton ist, hallt es
und hört sich fast so an wie im gigantischen Maracanã-Stadion in Rio - wenn dieses mal voll
wäre. Fast.
Aber während der ersten Halbzeit bleibt die Trommel ruhig. Vielleicht weil die meisten
Zuschauer Deutsche und keine Brasilianer sind. Vielleicht weil die brasilianische Mannschaft
doch nicht so gut spielt. Ihre Spieler umkurven zwar die Japaner, wie sie wollen, und
haben gute Chancen en masse. Das erste Tor schießt aber der Japaner Tamada.
Der ZDF-Kommentator Béla Réthy sagt im Fernsehen: "Auch wenn alles etwas organisiert
wirkt, die Stimmung kommt von den Japanern." Er meint das Dortmunder Stadion. Wenn
Japaner im "Foyer Futebol" wären, könnte er auch das meinen. "Oh, oh", sagt die
Brasilianerin, "gar nicht so schlecht, die Japaner." Fast eine Halbzeit lang wird gezittert. Erst
als Ronaldo kurz vor der Halbzeitpause das 1:1 schießt, springen die Brasilianer vorne vor
der Leinwand auf, tanzen und jubeln.