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Documents from Gilberto Gil's Private Archive

Instituto Gilberto Gil

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Brazil

  • Title: Documents from Gilberto Gil's Private Archive
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    Frankfurter Rundschau Feuilleton VON ELKE BUHR Herbert Grönemeyers offizieller Fifa-WM- Song, Zeit, dass sich was dreht“ hat zwar ge- rade die Spitze der deutschen Single-Charts errungen. Doch im musikalischen Bild die- ser WM will das blutleere Gemeinschafts- werk mit Amadou & Mariam aus Mali ein- fach keine Spur hinterlassen. Der größte Vor- teil der WM-Hymne des erfolgreichsten deutschen Popstars ist, dass man sie schon während des Hörens wieder vergisst - ge- nauso wie es nicht der r geringste Verdienst der Deutschen Fußballnationalmannschaft ist, dass sie keinen eigenen Song aufgenom- men hat. Man hat schließlich genug damit zu tun, den Remix des Gegröles der Welt- meisterelf“ von 1974 zu verdauen. „Fußball ist unser Leben“, sangen damals Beckenbau- er und Co. - Musik dagegen nicht, muss der Hörer gequält hinzufügen. Die Brasilianer dagegen haben für diese Art von Grenzüberschreitung deutlich mehr Talent. Schon in deren Fußballspiel mit den unerwarteten Drehungen und Hüftschwün- gen erkennen ihre Fans den Tanzschritt. ,,Ginga" nennen die Brasilianer diese elegan- ten Volten, ein Begriff, der aus dem Kampf- tanz Capoeira kommt. Und so war Peléginga gleichsam der natürliche Name für das gera- de erschienene erste Album des größten bra- silianischen Fußballstars. S. 16 Pelés musikalisches Debüt kommt zum marketingmäßig perfekten Zeitpunkt auf den Markt, ist aber mehr als ein PR-Gag. Rund 500 selbst geschriebene Songs aus vier Jahrzehnten soll Pelé in der Schublade ge- habt haben, als er sich an einen Produzenten wandte, um die CD aufzunehmen. Schon als 17-jähriger Profispieler habe er sich die Zeit mit der Gitarre vertrieben und Texte ver- fasst, erzählt Pelé in dem auf DVD beiliegen- den Interview. Aber ein bisschen schämte er sich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Er wollte nicht, dass die Leute den Fußball- Spieler mit dem Musiker Pelé verglichen. Nicht zu Unrecht, denn im Vergleich mit dem genialen Fußballer muss der Musiker Pelé verlieren: Als Sänger klingt er mehr symphatisch denn versiert. Doch schlecht geschrieben sind sie nicht, seine Samba- Songs, die in der aufwendigen Produktion geschmackvoll mit Glamour garniert wur- den. Auch zwei rührende Aufnahmen von 1969 sind auf Peléginga vertreten, die einzi- gen frühen Versuche Pelés, seine Lieder zu veröffentlichen. Er hatte Elis Regina dazu ge- wonnen, die früh verstorbene Edith Piaf Bra- siliens, Pelé tapst wie ein Bär mit tiefer Stim- me durch seinen Text, die Regina lacht ihn immer wieder aus, mit glockenhellem Ton, Die fröhlichen Kannibalen Warum Gilberto Gil und Pelé sich so gut verstehen: Brasilianische Kultur zwischen Peléginga und Tropicalia Hilfe vom Trainer für Pelés ungeschliffene Singstimme Im Verhältnis zu dem ungeschliffenen Or- gan von 1969, das für Peléginga neu abge- mischt wurde, nimmt sich Pelés Stimme heu- te, nach kurzem Training durch den Produ- zenten, allerdings schon viel geschmeidiger aus - vor allem, wenn Gilberto Gil ihm zur Seite steht, einer der berühmtesten Sänger Brasiliens und zurzeit brasilianischer Kul- turminister. „Quem Sou Eu" heißt der Titel, den sie zusammen singen: „Du willst ich sein und ich will du sein“ heißt es darin. In Deutschland hatten sich die beiden ken- nengelernt, bei der Vorstellung des Kultur- programms ,,Copa di Cultura", mit der sich Brasilien zur WM in Deutschland breit prä- sentiert. Sie sind ein ungleiches, ein erstaun- liches Paar. Denn als Pelé 1969 mit Elis Regi- na sang und sein tausendstes WM-Tor schoss, galt der Fußballer vielen als unkriti- sches Maskottchen der Militärregierung, die seit dem Putsch 1964 das Land regierte. Gilberto Gil dagegen, der linke Intellektuel- le und Sänger, wurde gemeinsam mit sei- nem Freund Caetano Veloso von den rech- ten Machthabern erst eingekerkert und dann ins Exil geschickt. Wie Doch heute tritt Gilberto Gil bereitwillig mit Pelé zusammen auf, und auch sonst scheint die Avantgarde-Ikone undogma- tisch, wenn nicht von gewisser ideologi- scher Biegsamkeit zu sein. Dass der passio- nierte Musiker seine Musik größtenteils auf- geben musste, um auf die Seite der Macht zu wechseln, macht ihm nichts aus, so sagte er in deutsche Mikrofone. Und der These deut- scher Journalisten, dass die brasilianische Begeisterung für den Fußball womöglich die sozialen Ungerechtigkeiten im Lande überdecke, mochte er auch nicht folgen. Es bleibt der Ausstellung, Tropicalia" im Berliner Haus der Kulturen der Welt überlas- sen, die vermeintlichen Widersprüche des linken Intellektuellen Gil aus dem spezifi- schen Kontext der brasilianischen Avantgar- de verständlich zu machen. Denn Kulturpes- simismus war wahrlich kein Kennzeichen der kleinen Kulturrevolution, die Theater- macher und Theoretiker, Musiker wie Giu und Caetano Veloso und Künstler wie Hélio Oiticica 1967 lostraten und die Kurator Car- los Basualdo hier wunderbar aufarbeitet. Wichtigstes kulturtheoretisches Werk-
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