13./14./15.1.2006
Von wegen bloß Samba
Mit der Copa da Cultura wollen die Brasilianer zur WM ihre vielfältige Kultur nach
Deutschland bringen
KERSTIN SCHNEIDER | BERLIN
D
ie brasilianische Seele muss
rund sein. So rund wie ein
schöner Fußball. Die Brasilia-
ner lieben diesen Sport mit einem En-
thusiasmus, der uns zwar fußballbe-
geisterten, aber sonst doch eher ver-
nünftigen Deutschen wie ein fortdau-
ernder Temperamentsausbruch vor-
kommt.
Das Land schickt nun nicht nur
seine Nationalspieler, die Trainer und
Funktionäre nach Deutschland zur
Weltmeisterschaft. Nein, es entsendet
nun auch gleich seine ganze Kultur.
,,Copa da Cultura" (Kultur-Cup) heißt
Noch 21 Wochen
WM 2006
SERIE: Die Teilnehmer
das brasilianische Programm, das die-
ser Tage in Kooperation mit dem
Haus der Kulturen der Welt in Berlin
startet und auch nach München, Köln
und in andere Städte kommen wird.
Handelsblatt / Weekend Journal
Das Tanzspektakel ,,Maracanã“ wird zu Beginn des WM-Jahres 2006 ab 25.
Januar in der Hamburger Kampnagel-Fabrik geboten
Ja, Brasilien, du hast es besser. Dein
Kulturminister ist ein echter Musiker, offensive der Brasilianer anzukündi-
und zwar einer der populärsten des gen. Mit Veranstaltungen aus Tanz,
Landes. „Wir werden feiern“, so Theater, Musik, Film und Kunst soll
bringt es der agile Minister Gilberto Deutschland brasilianischer und fröh-
Gil mit den hübschen Rastalocken auflicher werden.
den Punkt. Er kam im Dezember ei- Glaubt man Gilberto Gil, dann sind
gens nach Deutschland, um die Kultur-
Fußball und Kultur in Brasilien eins. In
S. 6
Rasen mit der Kultur, vor allem mit
der Musikszene, eng verbunden.
Doch Brasilien hat auch wirklich et-
was vorzuweisen. Jenseits aller exoti-
schen Klischees ist dort in den vergan-
genen Jahrzehnten eine lebendige
Kunstszene entstanden. Die Kunst-
biennale in São Paulo gilt nach der in
Venedig als zweitwichtigste der Welt.
So werden in der Ausstellung „The
Image of Sound: Football" im Sommer
die Arbeiten von Cildo Meireles ge-
zeigt, der zu den bekanntesten brasi-
lianischen Gegenwartskünstlern ge-
hört.
Minister Gil ist sich auch bewusst,
wie sehr das Bild Brasiliens noch im-
mer von anderen Wahrnehmungen ge-
prägt ist. Deshalb betont er: „Ich habe
nichts gegen Klischees. Samba, Strand
und Karneval gehören dazu. Doch wir
wollen auch die Vielfalt der Kultur zei-
gen."
Am 19. Januar startet der Kultur-
Cup mit einer Fotoausstellung im
Neuen Berliner Kunstverein. Neben
international etablierten Fotografen
wie Miguel Rio Branco und Emma-
nuel Nassar werden Werke der jungen
Künstler Rogério Canella und Franz
Manata präsentiert.
Nicht nur der brasilianische Kultur-
minister als Schirmherr des Copa da
Cultura, auch die Kulturstiftung des
Deutschen Fußballbundes hat sich
dem Land, in dem sich viele Einflüsse längst von den Qualitäten der brasilia-
und Stile vermischen, hat die Sportartnischen Kultur verzaubern lassen.
eine große integrative Kraft und ist ein Zum Start des WM-Jahres wird das
kulturelles Phänomen. So wie die bra- Tanzspektakel ,,Maracanã" der brasi-
silianischen Fußballstars, ob Altstarlianischen Choreografin Deborah Col-
Pelé oder Ronaldinho Gaúcho, als Ball- ker in Hamburg uraufgeführt. Be-
künstler gelten, ist das Spiel auf dem nannt ist, Maracanã“ nach dem riesi-
gen Stadion in Rio de Janeiro, in dem
1950 die Brasilianer das WM-Endspiel
gegen Uruguay verloren. Die Bühne
im Hamburger Theaterzentrum
„Kampnagel“ soll am 25. Januar zum
Stadion werden - Deborah Colker hat
sich vom Fußball inspirieren lassen
und lässt 16 brasilianische und deut-
Sche Tänzer in einer Art Match aufei-
nander treffen.
Es ist sicher spannend, wie zum Bei-
spiel Fallrückzieher tänzerisch aufbe-
reitet werden. Doch am wichtigsten
wird die tänzerische Umsetzung von
,,Ginga" - einem portugiesischen Be-
griff, der für die schnellen Körperbe
wegungen der brasilianischen Fuß-
ballspieler steht, die sich unerwartete
Finten einfallen lassen. Vielleicht soll-
ten sich Jürgen Klinsmann und die
deutschen Nationalspieler „Mara
canā" anschauen. Wenn Fußball zum
Tanz wird, können unsere Jungs si-
cher noch etwas lernen. Gell, Olli?
Vom Zuckerhut
Ab 14. Januar: zeitgenössische
Fotokunst aus Brasilien, Neuer
Berliner Kunstverein
Ab 25. Januar: Tanzspektakel
„Maracanã" in Hamburg
www.kampnagel.de
25. Mai bis 9. Juli: „Musica Popular
Brasileira" und ab 10. Juni .Image of
Sound: Football", beides im Haus der
Kulturen der Welt in Berlin.
Infos zum Programm der Copa da
Cultura unter www.hkw.de und
www.
brasilianische-botschaft.de