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Dorothee Hartinger, porträtiert von Erwin Wurm

Erwin Wurm2008

Burgtheater

Burgtheater
Wien, Österreich

Das tut man nicht. Aber es ist dann doch merkwürdig betreffend, dass Erwin Wurm die Schauspielerin dazu überreden konnte, nur mit einem Badeanzug bekleidet mitten auf der Straße niederzuknien. Die Pose ist mehrfach besetzt, jedenfalls als Geste der Unterwerfung; muss zwar nicht sein, man könnte auch beim Aufwischen kurz ausruhen oder mit jemandem sprechen, indem man sich aufrichtet – und selbst beim Sex wird die Stellung im Allgemeinen wohl eher freiwillig eingenommen. Wenn die Sache aber großformatig wird und niemand sonst da ist, versuchen wir das Bild symbolisch zu deuten, oder drängt sich sonst eine Geschichte auf. Nur fragt sich, welche. Erwin Wurm macht darüber offensichtlich mit voller Absicht keine Aussage. Und darin besteht die Botschaft. Der Künstler ist sich dessen bewusst, dass wir Fotografie nicht ohne weiteres als autonom wahrnehmen können – wir sind viel zu sehr darauf trainiert, sie immer in realen Zusammenhängen zu denken, also wollen wir auch hier und können nichts dagegen tun. Dann geht es um die Unterwerfung der Frauen oder die Unannehmlichkeit der Entblößung auf offener Straße oder die Anonymität der Großstadt oder was uns sonst alles dazu einfällt mit unserer großartigen Kombinationsgabe – wir sind unbelehrbar darauf aus, uns ständig etwas zu erklären. Würden wir noch im Mittelalter leben, hätten wir uns damit begnügt, an eine Erscheinung zu glauben. An ein Wunder aus dem Marienleben oder der Legende der Maria Magdalena – damit wäre sofort alles auf eine irrationale Ebene gehoben worden. Wir aber können nicht anders, als dem Künstler in die Falle zu gehen. Wir wollen Frauen nicht knien sehen – und deshalb hat das Foto etwas Unangenehmes. Andererseits handelt es sich um eine hübsche Frau, das macht die Situation wieder erträglich – und da es eine Schauspielerin ist, können wir uns darauf ausreden, dass es in der Natur ihrer Kunst liegt, sich unter ungewöhnlichen Umständen öffentlich bloßzustellen. Es ist ja nicht sie selbst, was ihre Rolle verlangt. Wieder nichts als Geschichten, diesmal Hintergrundgeschichten. Aber wir könnten uns auch daran gewöhnen zu lernen, dass unsere Probleme mit der Wirklichkeit unüberbrückbar sind. (Text von Otmar Rychlik, aus dem Programm zur Eröffnung der Porträtgalerie Burgtheater)

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  • Titel: Dorothee Hartinger, porträtiert von Erwin Wurm
  • Ersteller: Erwin Wurm
  • Datierung: 2008
  • Ort: Burgtheater Wien, Porträtgalerie, Foyer 2. Rang
  • Abmessungen: 135 cm x 100 cm
  • Fotograf: Erwin Wurm
  • Material: Fotografie
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