Hadrian (reg. 117–138 n. Chr.) beendete die expansive Eroberungspolitik seines Vorgängers Trajan. Stattdessen bemühte sich Hadrian um eine innere Konsolidierung der römischen Herrschaft und der Verwaltung der Provinzen. Er bereiste intensiv den Großteil des römischen Reiches, wobei besonders die östlichen, von griechischen Kulturtraditionen geprägten Provinzen im Mittelpunkt standen. Wie die Bildnisse anderer römischen Kaiser auch, sind die Porträts des Hadrian nach offiziell vorgegebenen Vorbildern gestaltet. Der Berliner Kopf, welcher erst modern in eine bronzene Büste eingepasst und leicht ergänzt wurde, stellt einen der getreuesten Vertreter des sogenannten Rolllockentypus dar. Diese Bildnisfassung zeichnet sich durch eine Reihe von markanten dicken eingerollten Lockenbündeln aus, die entlang der Stirn von Ohr zu Ohr verlaufen. Deutliche Faltenlinien an Stirn, Nase und insbesondere den Tränensäcken beweisen einen stark realistischen Zug dieses Porträts, der bei vorhergehenden und nachfolgenden Bildnistypen des Hadrian nicht anzutreffen ist. Dieser Typus ist – wie auch die fast immer fehlende Wiedergabe der Augenzeichnung zeigt – bald nach Beginn seiner Herrschaft und vor ungefähr 130 n. Chr. entstanden, als eben diese besondere Kennzeichnung der Augen bei steinernen Bildnissen üblich wurde. Mit seinem zwar eingeritzten Irisrund, aber noch fehlendem Glanzlicht der Pupille, steht der Berliner Hadrian gewissermaßen auf dem halbem Weg dieses Prozesses. Der sonst hilfreiche Vergleich mit Münzbildnissen bietet hier für die Frage der Entstehung des Urbildes keine weiteren Anhaltspunkte, weil diese zwischen dem dritten Konsulat (119) und der Annahme des Pater Patriae - Titels (128 n. Chr.) durch den Kaiser keine jahresgenaue Datierung bieten. Zudem sind die markanten Rollocken auch bei anderen Porträttypen des Kaisers anzutreffen, während die kennzeichnende heftige Kopfwendung und die realistischen Gesichtszüge im Münzbildnis nicht erscheinen. Es kann nur vermutet werden, ob das Vorbild für diesen Typus anläßlich des dritten Konsultat des Kaisers im Jahre 119 n. Chr. entstanden ist. Möglich wäre auch der Zeitraum von 118 bis 121 n. Chr., als Hadrian nach seiner Ankunft aus dem Osten (er wurde am 11. August 117 n. Chr. in Antiochia zum Kaiser erhoben) sich zum ersten Mal wieder in Rom aufhielt. Wie bei seinen übrigen Bildnisfassungen auch, ist Hadrian hier als erster römischer Kaiser überhaupt mit einem Bart ausgestattet. Im allgemeinen erklärt man diese Barttracht als Nachahmung des griechischen Philosphenbild-nisses und der persönlichen Affinität des Kaisers zur griechischen Kultur und Wesensart. Zu bedenken ist hier aber, dass schon am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. das Tragen eines Bartes wieder häufiger zu beobachten ist, und sich damit der Bart Hadrians auch als Ausdruck einer zeitgenössischen Vorliebe und Mode erklären ließe. Auch ist eine Beeinflussung durch das spätklassische und frühhellenistische Herrscher- und Privatbildnis sehr wahrscheinlich.
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