Im Verlauf der Arbeiten entlang der Ziegelmauer um das Heiligtum Eanna in Uruk stießen die Ausgräber auf einen Mauerwinkel, in dem unvermutet Reste eines kleinen Tempels zutage traten. Der rechteckige Bau mit kleinem Vorhof und größerer Cella hatte die Maße von etwa 22,5 zu 17,5 Metern, besaß stark betonte Gebäudeecken und war an den Außenwänden mit einer Nischenfassade versehen. In unmittelbarer Umgebung fanden sich Reste vieler Formziegel, deren erkennbare Einbindung ins Mauerwerk sie als Zierstücke der Außenwand auswies. Beim Zusammenfügen ergab sich so eine Art nischenartig gegliederte Blendfassade, deren vorspringende Teile mit halbrunden Symbolen und geschlängelten Bändern verziert waren, während in den Nischen Figuren gestanden hatten. Einer der Ziegel gab inschriftliche Auskunft über den Bauherrn. Ein König Kara-indasch hatte den Tempel für die Göttin Inanna von Uruk errichten lassen. Überlieferte Königslisten gestatten die Datierung des Bauwerks um das Jahr 1413 v. Chr. Kara-indasch gehörte zur Dynastie eines „Kassiten“ genannten Bergvolkes, das damals über Babylonien herrschte, aber weitgehend assimiliert wurde und die babylonischen Traditionen aktiv fortführte. Ein Ausdruck dieses Traditionswillens ist letztlich auch der hier beschriebene Tempel, der der schon seit dem Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. verehrten Göttin geweiht war. [JM]