Dieses Reliquienkreuz von außergewöhnlich großer Kostbarkeit steht, einem Leitstern gleich, im Mittelpunkt des Welfenschatzes. Es birgt unter einem quadratischen Bergkristall am unteren Kreuzende ein Partikel des Heiligen Kreuzes. Das darüber angebrachte Enkolpion, in seiner ursprünglichen Bestimmung ein Brustkreuz, ist vermutlich deutlich älter als das mit feinstem Filigranwerk überzogene krückenförmige Kreuz. Der unter byzantinischem Einfluss wahrscheinlich im 11. Jahrhundert entstandene Goldzellenschmelz des Kapselkreuzes zeigt neben dem Gekreuzigten die Brustbilder Marias, des Evangelisten Johannes und – oben – wohl das des Erzengels Michael. Den niellierten Inschriften S(ANCTI) PETRI AP(OSTO)LI, S(ANCTI) MA(R)CI EVA(N)G(E)LI(STAE), S(ANCTI) IOHA(N)NIS BA(P)T(ISTAE), S(ANCTI) SEBASTIANI an der Rückseite zufolge, enthält das Welfenkreuz neben der Heiligkreuzreliquie auch Reliquien der Heiligen Petrus, Markus, Johannes des Täufers und Sebastian. In den mit gesenkten Fackeln dargestellten Todesgenien und der als Triumphzeichen zu deutenden Säule am Kreuzfuß leben antike Bildideen fort, die in eindrücklicher Weise auf die Funktion des Welfenkreuzes als „Reliquiengrab“ Bezug nehmen. Die Palmette an der Rückseite des unteren Kreuzarmes nimmt das gleiche Motiv am Kapitell der Säule auf, ein deutliches Indiz für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Kreuz und Kreuzfuß. Das Welfenkreuz besitzt ein im Aufbau geschwisterlich ähnliches, in der künstlerischen Qualität allerdings weniger herausragendes Gegenstück im Domschatz von Velletri südlich von Rom.