Manet bevorzugte zweifigurige Gruppen gegenüber dem einfachen Porträt, da sie kompositorisch interessante Dialogsituationen ermöglichen. Das Doppelporträt des Jules Guillemet und seiner Frau, gemalt im Wintergarten des Malers Johann Georges Otto Rosen, gehört unter diesen Bildern zu den bedeutendsten, zumal es die psychologisch spannungsreich aufgebaute, nur vermeintlich lose Beziehung des Paares feinsinnig beschreibt und mit höchster Delikatesse der Farbabstufungen und -kontraste verbindet. Das Wechselspiel zwischen der eleganten Dame – sie besaß einen Modesalon in Paris – und dem sich ihr zuwendenden Herrn, der durch das Herabbeugen und durch die Berührung mit dem oberen Bildrand auffällig klein wirkt, während sich die weibliche Schönheit in ihrer kühlen, lässigen Noblesse bildfüllend ausbreitet, wird zum Sujet des Bildes.Trotz der trennenden Lehne, die in ihrer Transparenz einen geradezu graphischen Reiz besitzt, entsteht im Mittelpunkt des Bildes mit dem an Pflanzenformen und Farbnuancen reichen Wintergarten durch die einander angenäherten Hände der unscheinbare Höhepunkt des Ganzen. Die Gemälde Édouard Manets faszinieren sowohl dank ihrer stets auf spannungsreichen Farbkontrasten basierenden, zugleich in den Abstufungen feintonigen Palette, als auch dank der Sujets, die auf jeden literarischen oder symbolischen Gehalt verzichten: Hier herrscht höchste Malkultur bei ungemein produktiver Phantasie, unentwegter Aufmerksamkeit für alle optischen Erscheinungen und lakonischer Beobachtungsgabe, so daß sich aus allem Gesehenen ein subtil vermitteltes Erlebnis für die Augen ergibt. Insbesondere in den mehrfigurigen Kompositionen finden sich zudem psychologisch reizvolle, mit hohem dramaturgischen Geschick inszenierte Konstellationen zwischen den handelnden oder vielfach auch wortlos und stillebenhaft innehaltenden Personen.