Am 11. Dezember 1876 schrieb das Kultusministerium des jungen deutschen Kaiserreichs einen Wettbewerb zur Ausmalung des Kaisersaals der Goslarer Kaiserpfalz aus, die seit 1868 in nationalem Überschwang wieder aufgebaut und restauriert wurde. »Für das Mittelfeld über dem Thron«, so forderte die Ausschreibung, »ist eine Darstellung der Proclamation des deutschen Kaiserreichs 1871 in Aussicht genommen« (M. Arndt, Die Goslarer Kaiserpfalz als Nationaldenkmal, Hildesheim 1976, S. 108). Die restlichen Wandflächen sollten historische Ereignisse der deutschen, insbesondere mittelalterlichen Geschichte zieren. Zur Jury gehörten unter anderem Max Jordan, der Direktor der Nationalgalerie, der Kunsthistoriker Herman Grimm sowie die Künstler Reinhold Begas, Carl Steffeck und Albert Wolff. Bewerben durften sich ausschließlich in Preußen geborene oder dort lebende Künstler. Bis zum Ende der Bewerbungsfrist am 15. August 1877 waren Entwürfe von insgesamt elf Künstlern eingegangen. Die weitaus größte Anzahl der Bewerber war mit der Düsseldorfer Akademie eng verbunden, darunter auch der spätere Gewinner, Hermann Wislicenus.
Der zweite Preis ging an Georg Bleibtreu und Friedrich Geselschap, die einen gemeinsamen Entwurf eingereicht hatten. Geselschap war darin für die allegorische Gestaltung der Fensterwand und Bleibtreu für die Historiengemälde zur deutschen Geschichte des Mittelalters auf der Westwand sowie der nördlichen und südlichen Giebelwand des Kaisersaals vorgesehen. Von Bleibtreu stammt außerdem der Entwurf zur Ausmalung des Mittelfelds, das gemäß der Ausschreibungsunterlagen der Kaiserproklamation in Versailles 1871 gewidmet ist. Im Gegensatz zum Wettbewerbsgewinner Wislicenus, der das Thema allegorisch überhöhte, so daß ihm die Kritik Unverständlichkeit vorwarf, nähert sich Bleibtreu in seiner Darstellung dem Werk des preußischen Hof- und Geschichtsmalers Anton von Werner an und liefert eine weitgehend historisch korrekte Darstellung des Ereignisses.
Die eingereichten Entwürfe, die vor und nach der Entscheidung der Jury in der Nationalgalerie ausgestellt worden waren, gingen mit Einsendung in den Besitz des Staates über. Ein Teil von ihnen befindet sich heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. | Regina Freyberger
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