Die Evangelisten vom Münnerstädter Altar
Der Altar, den Riemenschneider 1490-1492 für die Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Münnerstadt anfertigte, ist ein Schlüsselwerk in der Entwicklung der spätmittelalterlichen Skulptur. Er gehörte zu den frühesten Retabeln, die ohne Farbfassung geliefert wurde, aber die Abwesenheit von Polychromie scheint als störend empfunden gewesen zu sein und 1504-1506 wurde der Nürnberger Bildhauer Veit Stoss beauftragt, den Altar zu vergolden und bemalen. Der Altar wurde zwischen 1649 und 1653 auseinander genommen und umgestaltet. Mehrere skulpturalen Elemente wurden entfernt und fanden ihren Weg letztendlich in öffentliche Sammlungen. In den frühen 1980er Jahren wurden die Teile, die in Münnerstadt geblieben waren, in eine moderne Umrahmung im Kirchenraum installiert, damit sie wieder auf der richtigen Höhe und im richtigen Licht präsentiert werden konnten. Kopien der Skulpturen in München und Berlin wurden später dem Ensemble hinzugefügt.
Das Bildprogramm thematisierte das Leben der Hl. Maria Magdalena, Patronin der Kirche. Als reuende Kurtisane, die sich Gott gewandt hatte, diente Sie als Vorbild, dass sogar Sünder Heiligen werden können und dass die Hoffnung auf Erlösung jedem zusteht. Im Schrein des Münnerstädter Altars wurde sie, zwischen dem Hl. Kilian und der Hl. Elisabeth von Thüringen, von Engeln zum Himmel getragen. Im Aufzug standen die Muttergottes und Johannes der Evangelist an beiden Seiten der Dreifaltigkeit; noch höher stand Johannes der Täufer. Die Predella enthielt die vier Evangelisten. Auf den Flügeln waren vier Reliefs mit Szenen aus der Legende der Hl. Maria Magdalena zu sehen: links Christus im Hause Simons über Die Erscheinung Christi vor Maria Magdalena und rechts die letzte Kommunion von Maria Magdalena über einer Darstellung ihrer Grablegung. Die Gesamthöhe des Retabels betrug ca. 13 Meter.
Die Evangelisten in der Predella bildeten das theologische und visuelle Fundament für den Altar, dessen vereinheitlichende Thema die Erlösung durch Christi Tod ist. Die Aneinanderreihung der Figuren von links nach rechts widerspiegelt die Reihenfolge, in welcher ihre Evangelien in der Bibel erscheinen. Ihre Haltungen und die Anordnung ihrer Gewänder korrespondieren miteinander und führen das Auge zur Mitte der Gruppe. Die Evangelisten sind im Alter, Stimmung und Pose höchst unterschiedlich dargestellt. Man glaubte im Mittelalter, dass die Evangelisten Matthäus und Johannes den Aposteln dieser Namen identischen seien; deswegen sind sie in zeitlosen Draperien portraitiert. Demgegenüber tragen Markus und Lukas die Kopfbedeckung und Gelehrtentracht der Humanisten. Riemenschneider folgt einer Tradition, die zur frühchristlichen Zeit zurückführt, in der Matthäus und Johannes als Augenzeugen Christi erkannt wurden, während Markus und Lukas, als vermuteten Nachfolger von Petrus und Paulus, als Vorbilder frommer Gelehrsamkeit verehrt wurden. Der Engel von Matthäus und der Adler von Johannes waren einzeln geschnitzt und an der Rückwand der Predella befestigt.
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