Lucas Cranach der Ältere zählt zu den bedeutendsten Künstlern der deutschen Renaissance. Er war vor allem für seine Porträts von höfischen, bürgerlichen und kirchlichen Auftraggebern bekannt sowie für seine Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchthon, mit denen er befreundet war. Diese Nähe zu den Begründern der Reformation machten Cranach zum Hauptvertreter einer neuen protestantischen Bildsprache.
Die „Madonna mit dem Kinde“ ist dagegen ein Beispiel der anhaltenden altgläubigen Marienfrömmigkeit zu Beginn der Reformation und nimmt in seiner herausragenden malerischen Qualität eine Sonderstellung im Werk des Künstlers ein.
Vor einer detailreichen Landschaft schaut Maria mit innigem Blick auf das Christuskind in ihren Armen, während das Kind beide Hände wie tröstend zum Gesicht seiner Mutter streckt. Sie trägt kunstvolle modische Gewänder aus schimmernder Seide in reichen Farben. Ein zarter Schleier liegt auf der blonden Haarpracht der mädchenhaft jungen Gestalt. Im Bildhintergrund erscheint links eine mittelalterliche Stadt an einem Gewässer, rechts eine Burg auf felsiger Anhöhe. Eine morgendliches Licht durchzieht die friedvolle Stimmung und deutet sinnbildlich auf die Menschwerdung Christi und seine Erlösungstat. Marias sinnender Gesichtsausdruck dagegen ist ein Hinweis auf die zukünftige Passion ihres Sohnes.
Cranachs Bild der innigen Zuwendung zwischen Mutter und Kind diente zur privaten Andacht, in der das Schauen das Gebet des Gläubigen intensivierte. Der hohe künstlerische Anspruch, der sich in der Feinheit der Ausführung und dem Reichtum der Farben zeigt – für das Blau des Marienmantels wurde kostbares Lapislazuli verwendet – spricht für eine eigenhändige Ausführung Lukas Cranachs d. Ä., der eine große Werkstatt mit zahlreichen Mitarbeitern betrieb.
Das Gemälde stammt aus dem Besitz der Herzöge von Sachsen-Lauenburg und kam aus der Sammlung der Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden in den Bestand der Karlsruher Kunsthalle. Wahrscheinlich hatte es der Künstler für einen Auftraggeber aus dem Kreis um Kurfürst Friedrich den Weisen am kursächsischen Hof geschaffen, der sich durch einen hoch entwickelten Kunstgeschmack auszeichnete.