In den 1780er Jahren wurden die Westen kürzer, ein gerader Abschluss wurde modern. Diese nun gilet genannten Westen wurden nicht mehr auf den Anzug abgestimmt, sondern waren eigenständige modische Artikel der Négligékleidung. Ab 1790 wurden die zunächst noch kurzen Stehkrägen höher, und die gilets wurden mit kleinen Revers versehen. Die Vorderteile wurden vollständig mit kleinteiligen Mustern geschmückt, und der untere Abschluss wurde mit besonderen Darstellungen betont. Die Themen waren vielseitig, politische und wichtige gesellschaftliche Ereignisse wurden ebenso dargestellt wie Motive aus Theater, Oper oder der Antike. Der Dekor dieser Weste ist die virtuose Kombination eines à disposition gewebten Dekors mit gestickten Partien. Das gewebte Muster besteht aus rechtwinkligen Dreiecken, die einander windradförmig zugeordnet sind. Ihre Darstellung erhält durch den abgestuften Farbverlauf der musterbildenden Kettfäden von Braun über Rot und Rosé nach Gelb einen längsgestreiften Charakter. An den Vorderkanten, dem unteren Rand und den Streifen über den Tascheneingriffen wurde das Muster ausgesetzt, und diese Partien wurden mit einem antikisierenden Dekor bestickt. Im Wechsel sieht man einen Reiher, der sich über ein bauchiges Gefäß beugt, und eine Fantasiearchitektur aus Voluten, Kugeln, Gehängen und Strahlenbündeln. Nur die bestickten Teile des gilet sind aus cremefarbenem Seidentaft, alle andern Teile sowie das Innenfutter bestehen aus Baumwollflanell, wobei zwischen den Vorderteilen und dem Rücken zwei breite Streifen zusätzlich eingesetzt wurden. Eventuell musste der Schneider das Halbfabrikat einem beleibteren Kunden anpassen oder die Weste nachträglich erweitern. Der oberste Knopf, der in einem anderen Muster bestickt ist, wurde ergänzt.