Die dritte Gemeinde, die 1938 brutal zerstört wurde, gilt heute als Inbegriff des jüdischen Wien. Herzl, Freud, Mahler, Schnitzler und viele mehr prägten die Wiener Jahrhundertwende. Ein idealisierender Blick auf diese Zeit verdeckt allerdings das aufgeheizte antisemitische Klima, das keineswegs erst 1938 „importiert“ wurde. Die Widersprüche der Zeit lassen sich an Theodor Herzl gut verdeutlichen. 1896 formuliert er zwei Visionen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. In einem Feuilleton begeistert er sich für das Radfahren in Wien, das für ihn Fortschritt und Freiheit schlechthin verkörpert. Sein Optimismus lässt nicht vermuten, wie sehr für ihn zur gleichen Zeit Wien als Heimatstadt in Frage steht. Wenige Monate zuvor ist seine weit berühmtere visionäre Schrift "Der Judenstaat" erschienen. Der Zionismus ist seine Antwort auf den bedrückenden Antisemitismus in Wien und Europa. Ausgestellt ist Herzls damals hochmodernes Fahrrad, das er in der Sommerfrische in Altaussee benutzte. Das Radfahren hatte ihm übrigens Arthur Schnitzler beigebracht, dessen Roman „Der Weg ins Freie“ nicht nur den Wiener Radfahrboom, sondern auch den unerträglichen Antisemitismus der Jahrhundertwende schildert.