Die Wiener Jahre um 1908 bedeuteten für Arnold Schönberg eine Phase künstlerischen Aufbruchs, der mit einer schweren persönlichen Krise einherging. Schönbergs Familienleben wurde durch das intime Verhältnis seiner Frau Mathilde zu dem Maler Richard Gerstl empfindlich gestört. Gerstl hatte sein Atelier im Haus der Schönbergs bezogen (Liechtensteinstraße 68/70, Wien, IX. Bezirk) und beide sowohl unterrichtet als auch portraitiert. Richard Gerstl beging im November 1908, einige Monate nach dem Bekanntwerden seiner Affäre mit Mathilde Schönberg, Frau des Komponisten, Selbstmord. Eines der ersten nach Gerstls Tod komponierten Werke von Arnold Schönberg ist das zweite der Drei Klavierstücke op. 11. Die Tonbuchstaben d/re (Richard), a (Arnold), es (Schönberg), g (Gerstl) stellen in dem kurzen Klavierstück die namentliche Beschwörung der Protagonisten einer Tragödie dar. Ein aus den Tönen gebildeter Akkord kehrt in dem Stück mehrfach wieder, sei es in Originalgestalt, sei es in tonhöhenalterierten Varianten. Der düstere Klangduktus – grundiert durch wiederkehrende ostinate Figuren im Bass – kann als Funèbre-Ton charakterisiert werden.