Blickfang der Zeichnung ist das Stachelkleid, das Oudry mit kurzen, unregelmäßig und explosionsartig gesetzten Strichen auf blauem Tonpapier zu malerischer Wirkung bringt. […] Das Auge weit geöffnet, die Krallen auf den Boden gestemmt und die Stacheln hoch aufgerichtet, zeigt der Zeichner das Tier im Moment der Gefahr. Indes teilt sich die Erregung durch den Tierkörper selbst, dem atmenden Organismus, nicht mit. Trotz des weich und dunkel gezeichneten Fells gewinnt er kein körperfestes Volumen. Auch die Nackenlinie und die linke Hinterpfote bleiben anatomisch unklar. Deshalb wurde die Zeichnung wahrscheinlich nicht nach der Natur angefertigt. Opperman [Jean-Baptiste Oudry, London 1977, II, Nr. D 739] nimmt an, daß Oudry hier eine Ölstudie von Pieter Boel […] vorlag, entstanden als Entwurf für die Gobelins-Manufaktur in Paris. Oudry wurde 1734 Direktor der Manufaktur in Beauvais und kannte spätestens seit diesem Zeitpunkt die Vorlagen Boels, die er mehrfach kopierte.
Gleichwohl zeigt das Blatt in der effektvollen Gestaltung die charakteristischen Merkmale der Tierdarstellungen Oudrys. Das Raffinement seiner Jagd- und Tierstücke ließ ihn zu einem der geschätztesten und bedeutendsten Tiermaler seiner Zeit werden. Seine Kompositionen waren am Hofe Ludwigs XV. und beim französischen Adel begehrt; auch der Großherzog Christian-Ludwig II. zu Mecklenburg-Schwerin gehörte zu seinen Gönnern; deshalb besitzt das Staatliche Museum Schwerin die reichste Sammlung von Gemälden und Zeichnungen Oudrys.