In den frühen 1880er Jahren begann Lenbach mit Studien zur biblischen Gestalt der Salome, jener Femme fatale, die im späten 19. Jahrhundert von Oscar Wilde bis Gustave Moreau die Künstlerphantasien reizte. Henriette Fleischl von Marxow (1860–1883), eine Schülerin Lenbachs, posierte als Salome. Für das Haupt Johannes des Täufers diente Lenbach eine Fotografie des sich schlafend stellenden Hermann Levi (ein Originalabzug im Nachlaß des Künstlers, Privatbesitz). Das Gemälde scheint durch den plötzlichen Tod der Henriette Fleischl, die sich 1883 in Rom das Leben nahm, nie vollendet worden zu sein. Erst 1894 inszenierte Lenbach mit Mary Lindpaintner (1865–1929), der späteren Ehefrau von Franz von Stuck, die Szene der Salome erneut, zunächst als Fotografie, dann in Öl (Neue Pinakothek, München).
Die vorliegende Ölstudie, die auf einer Silberschale das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers mit den Zügen Hermann Levis (1839–1900) zeigt, dürfte im Rahmen der ersten Arbeiten zur »Salome« um 1882 entstanden sein. Eine sehr ähnliche Darstellung findet sich als Randskizze auf einem größeren Studienporträt der Henriette Fleischl von Marxow in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München (vgl. Franz von Lenbach, Ausst.-Kat., München 1986, Kat.-Nr. 269). | Regina Freyberger