Der österreichische Maler Ludwig Eibl, der nach einer Bildhauerlehre in Wien und Paris Malerei in München, vor allem bei Wilhelm von Diez, studierte, hat der Nationalgalerie neben drei Stilleben (Inv.-Nr. A II 275, 276 und 280) drei sogenannte Studienköpfe als Vermächtnis übereignet. Man kann annehmen, daß er diese Werke für besonders charakteristisch hielt. Eine Eigentümlichkeit der Arbeiten der Diez-Schüler in den 1870er Jahren war der freie malerische Vortrag, eine bewußte Skizzenhaftigkeit. Sie charakterisiert den männlichen Studienkopf auf olivgrünem Hintergrund (Inv.-Nr. A II 277) und suggeriert die geistige Beweglichkeit des Dargestellten. Sie verleiht dem von einer Spitzenkrause umgebenen Kinderköpfchen auf rotem, flockigem Grund (Inv.-Nr. A II 279) seinen besonderen Reiz und den Eindruck von kindlicher Spontaneität. Das Bildnis der jungen Frau (Inv.-Nr. A II 278) dagegen erscheint gefaßter. Selbst bei Studien drückt sich in der Malweise Rollenverständnis aus. Sehr verbreitet in der Diez-Schule wie im Leibl-Kreis waren Männerbildnisse in fast monochromer, nuancenreicher Tonmalerei und breiter Pinselschrift, das helle Gesicht auf einem noch helleren Kragen ruhend und aus einem dunklen Hintergrund prägnant hervortretend. Das Motiv ›Studienkopf‹ – weniger Porträt als vielmehr freie Wiedergabe einer unbekannten, dem Betrachter gleichgültigen Person – erlaubte das Ausprobieren neuer malerischer Möglichkeiten und stand während der 1870er und 1880er Jahre in der Diez-Schule nahezu im Mittelpunkt des akademischen Unterrichts wie des freien Schaffens (vgl. Mappe mit Fotografien der Galerie Heinemann »Zur Erinnerung an die Ausstellung von Werken der Diez-Schüler«, München 1890, Exemplar in der Bibliothek der Alten Nationalgalerie); es war für Eibl zugleich die Brücke zu dem wichtigen, sein späteres Schaffen bestimmenden Gebiet der Stillebenmalerei. | Angelika Wesenberg
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