Berlin, den 28.2.1944
Geliebte Mutter, nun bist Du heute schon 3 Wochen nicht mehr bei mir, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Das Leben bleibt nicht, wie vorher geglaubt, stehen, alles geht im selben Trapp weiter. D. h. also, es ereignet sich auch nichts von Bedeutung. Mit meinen Gedanken bin ich nicht nur wie verabredet morgens und abends um 8 Uhr bei Dir, sondern es vergeht keine Minute, ich der ich nicht denke, was Du nun tun magst und wie es Dir wohl geht. Ich bete viel zu Gott, dass er Dir Kraft schenke; hoffentlich hast Du Gelegenheit, an einer Bibelstunde teilzunehmen. Die heutige Bibellese ist sehr tröstlich: „Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, auf dass, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“ Hoffentlich hast Du dort liebe Menschen; zu mir sind alle sehr nett. In die Eisl. soll ich diese Woche abends zum Essen kommen, da es bei uns immer noch nicht geht. Ilse, die am 12.2. hier war, um Dich zu sehen, fuhr anschließend nach Köln und ging zu Tante Eugenchen, die mich sofort per Telegramm einlud. Fahre aber vorläufig nicht, um die Wohnung zu schützen. Tante Hedwig forderte mich zu gestern Nachmittag auf und war sehr nett. Sie fühlt sich durch Deine Abreise sehr vereinsamt, wie sie sagt. Soll Dich sehr von ihr grüßen, ebenfalls von Anneliese, Marga, Trautchen. Hast Du meine 2 Päckchen erhalten? Beabsichtige 3 im Monat zu schicken, hoffentlich geht es. Zu sehr will man die Post nicht überlasten, damit es keine Sperren gibt. – Hast Du schon Beschäftigung, ich halte es für sehr wichtig. Hast Du genug warme Sachen mit? Ruth K. bekam heute eine Karte vom 12.2. Hoffentlich höre ich bald von Dir und dass es Dir verhältnismäßig gut geht. Herbert will noch kommen, soll dann bei mir wohnen. Innigste Grüße, tausend Küsse und Gott befohlen
Deine
Postkarte
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Frau B. Hassel
(aus Berlin, Joachimstalerstr. 24)
(Transport vom 9.2.44, Nr. 97)
Theresienstadt, Post Bauschwitz
Badhausgasse 19
(Stempel:) Verpackt FELDPOST-PÄCKCHEN gut und dauerhaft