Das Reliquiar in Gestalt einer Tasche (bursa) gehört zu den bedeutendsten Werken der Goldschmiedekunst, die sich aus dem frühen Mittelalter erhalten haben. An seiner Vorderseite sind zwölf Edelsteine, darunter vier antike Gemmen, so um einen perlenumkränzten Zentralstein gruppiert, dass sie ein doppeltes – orthogonales und diagonales – Kreuz ergeben. Die durch den Steinbesatz manifestierte christliche Kreuz- und Zahlensymbolik wird ergänzt durch Tier- und Pflanzendarstellungen in zehn, ursprünglich zwölf kleinen Feldern mit Goldzellenschmelz, die zu den frühesten Zeugnissen von westeuropäischem émail cloisonné zählen. Die stilisierten Vögel, Fische und Reptilien sollen im Kontext christlicher Heilssymbolik als Vertreter der belebten Schöpfung in der Luft, im Wasser und auf der Erde verstanden werden. Die Rückseite zeigt in zwei Reihen unter Arkaden in getriebenen Halbfigurenreliefs oben Christus zwischen Engeln und unten die Muttergottes mit den Aposteln Petrus und Paulus. An den Schmalseiten setzen sich die figürlichen Darstellungen mit Heiligen und Engeln fort. Die fünf gegossenen Löwen am First des Reliquiars, dem Verschlussbügel realer Bursen, werden als Wächter seines Inhaltes interpretiert, auch wenn sich der tatsächliche Zugang zu dem heute keine Reliquien mehr enthaltenden Inneren an der Unterseite befindet. Wegen der Herkunft aus dem angeblich durch Widukind begründeten Engerer Stift hat man vermutet, das Bursenreliquiar wäre eine jener dona magnifica an Widukind, die Karl der Große (Reg. 768–814) nach dem Bericht der Annales Mosellani dem überwundenen Sachsenführer zu dessen erzwungener Taufe im Jahre 785 als Patengaben verehrte.
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