Jean Etienne Liotard gilt als Meister der Pastellmalerei. Er ist bekannt für die sorgfältige Ausführung und die fein verriebenen Oberflächen seiner Werke. Das Pastell bot sich für eine täuschend echte Wiedergabe der Haut in besonderer Weise an und fand daher vor allem im Bereich der Porträtmalerei Anwendung.
Dem Typus des Künstlerbildnisses folgend, ist die 22-jährige Prinzessin von Hessen-Darmstadt an der Staffelei wiedergegeben. Während ihre Linke den Malstock hält, setzt sie mit der Rechten zum Zeichnen an, den Blick aufmerksam in Richtung der Betrachtenden gewandt. Sie trägt ein Kleid aus weißer Seide, das am Saum mit einer Blütenstickerei verziert und mit einer roten Schleifenbordüre an Mieder und Ärmeln geschmückt ist. Die kostbare Kleidung verweist auf ihre fürstliche Herkunft, auch wenn der blaue und mit Hermelinfell abgesetzte Mantel eher nachlässig auf einem Stuhl abgelegt ist.
Das Bild entstand während eines längeren Aufenthaltes des Künstlers am Darmstädter Hof. Liotard war sowohl der Porträtist als auch der Lehrer der Prinzessin. Er unterwies sie in der Pastellmalerei und stellte sie bei dieser Tätigkeit mit einer farbigen Kreide in der Hand dar – ein Kästchen mit zahlreichen weiteren Stiften ist hinter ihr zu erkennen.
Liotards Pastell gehört zu den Hauptwerken der Kunsthalle. Es zeigt die spätere Markgräfin Karoline Luise von Baden, die mit ihrer Sammlung von Werken der niederländischen und französischen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts einen entscheidenden Grundstock für die Karlsruher Bestände legte. Vielseitig interessiert zählt Karoline Luise zu den aufgeklärten Fürstinnen des 18. Jahrhunderts. Sie verfügte über breite Kenntnisse in den Natur- und Geisteswissenschaften und stand in regem Kontakt mit Gelehrten ihrer Zeit, unter ihnen Carl von Linné und Voltaire. Ihr Talent als Zeichnerin und Malerin fand mit der Ernennung zum Ehrenmitglied der Königlich Dänischen Akademie der Künste in Kopenhagen öffentliche Anerkennung.