Wer im 6. Jahrhundert v. Chr., sich von Norden der Stadt nähernd, Babylon betreten wollte, musste sich zunächst in eine durch hohe Mauern mit vorspringenden Türmen eingeengte Straße begeben. An ihrem Ende erst, empfangen von einem durch Bastionen geschützten Vorplatz, erreichte er das Tor in den Mauern der Stadt – eines der sieben nachgewiesenen Tore im Befestigungsgürtel Babylons. […] Auf einer Teilstrecke von ca. 180 m vor dem Torplatz war den eigentlichen, mehr als sieben Meter starken Mauern eine farbige, reliefierte und zusätzlich mit Farbbändern versehene Verkleidung der Sockelzone vorgeblendet. Ziegelreliefs schreitender Löwen in leicht verminderter natürlicher Größe und farbig unterschiedlicher Gestaltung bildeten den Blickfang des Baukörpers. Diese Tiere gaben nicht nur einen Widerschein der Macht und Größe des Reiches und seiner Hauptstadt, sie symbolisierten auch – als ihre heiligen Tiere – eine der wichtigsten Gottheiten der Babylonier, die kriegerische und Zeugungskraft verkörpernde Göttin Ischtar. Der offizielle Name der Straße lautete: Aj-ibur-schapu, „nicht habe Bestand der Feind“. Denn diese Anlage war gleichermaßen als Wehranlage vor dem Torzugang zur Stadt wie auch als ein einer Gottheit angemessener kultischer Verehrungsort errichtet worden. Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatte der neubabylonische (chaldäische) König Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.) die Stadt Babylon zur Errichtung eines Palastkomplexes außerhalb der Mauern nach Norden erweitern lassen. Die östliche Außenmauer dieses Palastes sowie die westliche Mauer eines Befestigungsbaus („Vorwerk“) bildeten zugleich die Einfassungsmauern der Straße.
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