Frontal, dem Betrachter zugewandt, liegt nach links, halb aufgerichtet, ein junger Mann auf einem Ruhebett, der Kline. Sein linker Unterarm ruht auf zwei Kissen, und die rechte Hand berührt lässig das Knie des rechten Beines, das er übergeschlagen hat. Obwohl große Partien verloren sind und nun neutral ergänzt wurden, können wir die sorgfältige Drapierung des Gewandes ahnen, das den Unterkörper und die Beine verhüllt, während der Oberkörper nackt ist. Auf der Rückseite ist der Faltenwurf noch gut erhalten. Die linke Hand, deren Daumen abgespreizt ist, hielt vermutlich eine Schale. Die Figur ist hohl. Im Halsloch sitzt ein Kopf, der zwar stilistisch dem Körper entspricht, jedoch offenbar nicht zugehörig ist, da er proportional etwas zu klein ist. Das Gesicht mit gleichmäßigen Zügen wird dominiert von den weit geöffneten Augen, die den Betrachter anzublicken scheinen, und dem markanten, geschlossenen Mund mit den fleischigen Lippen. Im kurzen Haar, das die hohe Stirn freigibt, sitzt ein breites Diadem aus drei Reihen von Lorbeerblättern mit Beeren. Über den Ohren endet das Diadem in perlengesäumten Dreiecken, an denen durch jeweils eine Öse ein Band befestigt ist, das über den Hinterkopf führt. Spuren von Bemalung haben sich vor allem in dem braunroten Inkarnat des Gesichtes, aber auch am Oberkörper erhalten sowie in der gelben Farbe des Kranzes. Stilistisch hat die Kalksteinfigur Vorbilder in der klassischen griechischen Kunst, was besonders an der Gesichtsgestaltung auszumachen ist. Die archaisch anmutenden Parallelfalten am Gewand des Gelagerten lassen dieses älter erscheinen als den Kopf. Figürliche Aschenurnen sind in Chiusiner Kammergräbern gefunden worden. Die Tradition anthropomorpher Urnen geht in Chiusi zurück bis ins 7. Jahrhundert v. Chr., als man die Asche Verstorbener in Gefäßen aus Ton oder Bronze beisetzte (Kanopus). Ihnen setzte man anstelle eines Deckels einen Kopf mit stilisierten Gesichtszügen auf. Anstelle der Henkel oder zusätzlich traten aus Ton modellierte Arme. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wurden als Aschenurnen Skulpturen thronender, d. h. heroisierter Frauen oder zum Bankett gelagerter Männer verwendet, denen anstelle der Ehefrau die Todesgöttin Vanth beigesellt war. Die eingesetzten Köpfe sind keine Bildnisse individueller Ausprägung. Sie nehmen aber auf Geschlecht und Besonderheiten des oder der Verstorbenen Bezug.
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