Die Marmorgruppe vereint zwei ungleiche Gestalten in einem kuriosen, erst auf den zweiten Blick zu entschlüsselnden Geschehen. Die Tatsache, dass beide Köpfe in der Neuzeit (möglicherweise bereits im 17. Jahrhundert) ergänzt worden sind, trägt paradoxerweise sowohl zur zusätzlichen Verwirrung des modernen Betrachters als auch zum besseren Verständnis der Gruppe bei: So setzte der Bildhauer dem linken Protagonisten einen völlig neuen Kopf auf, dessen Maße und ikonographische Details aber dem verlorenen Originalkopf recht nahe kommen dürften; die rechte Gestalt hingegen ergänzte er mit einem antiken Kopf, der sich allein durch seine zu großen Proportionen als nicht zugehörig erweist und nachweislich einem anderen Statuentypus angehört. Bei näherem Hinsehen werden die Handelnden als mythische Wesen aus dem Umfeld des Dionysos/Bacchus und der Aphrodite/Venus kenntlich: Die kleinere, muskulöse Gestalt links ist ein Satyr – oberhalb des Gesäßes ist noch das Satyrschwänzchen erhalten; die sitzende, größere Gestalt rechts hingegen wird durch weibliche Brüste und männliches Genital als Hermaphrodit gekennzeichnet. Dargeboten wird ein Spiel von Anziehung und Abstoßung, von Lust, Überraschung und Schrecken, das in einem labilen Gleichgewicht stecken geblieben ist: Der Satyr hat sich dem von ihm als Nymphe oder Mänade gedeuteten Hermaphroditen in erotischem Begehren genähert. Wie der Betrachter der Gruppe wird auch der Satyr erst auf den zweiten Blick der zwitterhaften Natur seines Gegenübers gewahr. Hermaphrodit seinerseits reagiert auf die Avancen, indem er den Satyrn fest in einer Beinklammer hält und versucht, ihn zu sich heranzuziehen. Der Satyr wehrt sich heftig dagegen, die Drehung des Oberkörpers verdeutlicht seine Anstrengungen, sich aus der Klammer zu lösen. Der Ausgang des Ringens ist völlig offen, in dieser Momentaufnahme hat keiner der beiden die Oberhand. Die Gruppe ist eine von rund zehn Repliken aus der römischen Kaiserzeit nach einem verlorenen griechischen Original. Das vielleicht in Bronze gearbeitete Vorbild dürfte in späthellenistischer Zeit, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. entstanden sein, zu einer Zeit, als erotische Gruppen in der Plastik eine enorme Konjunktur hatten. Über den ursprünglichen Aufstellungszusammenhang, Auftraggeber und Künstler des Originals ist nichts bekannt. In der römischen Kaiserzeit dienten Kopien dieses Typs und verwandter Gruppen als beliebte Ausstattungselemente öffentlicher wie privater Gebäude, vor allem von Thermen und Villen. Mit solchen Statuen wurde allgemein ein ideales dionysisch-bukolisches Ambiente evoziert, das mit der Konnotation der kopierten Vorbilder und ihrem historischen wie mentalitätsgeschichtlichen Kontext allenfalls indirekt zu tun hatte. Verändert wurden beim Kopiervorgang auch manche Details, sowohl auf die Gruppenkomposition im Ganzen bezogen wie auf die Beigaben auf dem Felsen. Wurfholz (Lagobolon), Trommel (Tympanon)‚ ›Panflöte‹ (Syrinx) und Zimbeln tauchen bei fast allen Repliken auf und verweisen auf die dionysische Sphäre; die Schildkröte ist eine Zutat des Kopisten der Berliner Gruppe. Die bei mehreren Repliken auftauchende Schweinehaut auf dem Felssitz ist als versteckte Anspielung auf das dem Hermaphroditen fehlende weibliche Genital gedeutet worden.