Der schweizerisch-deutsche Bildnismaler Anton Graff war bereits in Augsburg, München und Regensburg erfolgreich, als er 1766 als Hofmaler nach Dresden berufen wurde. 1789 erhielt er eine Professur für das Porträtfach an der dortigen Akademie. Er war seinem Amt nach der Bildnismaler des sächsischen Adels. Zugleich wurde Graff mit seinen einfühlsamen, tonig gehaltenen Porträts von Gelehrten, Philosophen und Künstlern zum wichtigsten Bildnismaler der Aufklärung. Die neuen Freundeskreise der Empfindsamkeit waren seinem Genre günstig. Es fanden sich zwei größere Auftraggeber: Johann Wilhelm Ludwig Gleim ließ Bilder für einen »Freundschaftstempel« in seinem Haus in Halberstadt malen, und der Leipziger Buchhändler Philipp Erasmus Reich richtete sich nach diesem Vorbild eine Galerie berühmter zeitgenössischer Dichter und Denker ein. Für Reichs Gelehrtengalerie porträtierte Graff 1771 in Berlin Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing, den Dichter Karl Wilhelm Ramler sowie den Philosophen und Ästhetiker Johann Georg Sulzer, der wenig später sein Schwiegervater wurde. Sulzer war Verfasser einer »Allgemeinen Theorie der Schönen Künste«, in welcher dem Porträt eine große Bedeutung beigemessen wurde.Als Spiegel der Seele stand es in der Hierarchie der Themen nun an vorderer Stelle.Anton Graff hat nach eigenen Angaben weit über tausend Bildnisse gemalt. Die Entwicklung von über fünfzig Jahren ist an ihnen ablesbar: vom barockdekorativen Bildnis hin zur Konzentration auf das Antlitz unter dem Einfluß der Theorien von Lavater und Sulzer bis zu einer erneuten Hinwendung zum Ganzfigurenbild um 1800. Graff malte in jeder Schaffensperiode auch Selbstbildnisse, insgesamt weit über fünfzig. Mit einem Selbstbildnis hatte er sich 1766 erfolgreich in Dresden beworben, und noch im Todesjahr 1813 entstanden zwei Selbstporträts. Die späten Bildnisse, der zunehmenden Erblindung abgetrotzt, zeigen eine überraschende Freiheit und Intensität, und sie sind malerischer aufgefaßt als jemals zuvor.