Im Skriptorium auf der Reichenau entstanden auch Codices ohne prachtvolle Buchmalerei. Die Staatsbibliothek Bamberg bewahrt zwei Reichenauer Handschriften mit dem kommentierten Hohelied. Sie zeigen, wie unterschiedlich der gleiche Text präsentiert werden konnte.
Von einem Schreiber, der am Jesaja-Kommentar mitwirkte, stammt diese Abschrift des lateinischen Hohelieds. Das großzügige Layout, die goldenen Überschriften und Initialen sowie die sorgfältige Schrift zeugen von der hohen Wertschätzung dieses Buchs des Alten Testaments.
Zwischen die Hohelied-Verse in größerer Schrift sind Prosa-Erläuterungen in kleinerer Schrift eingeschoben. Man las also abwechselnd den biblischen Text und den Kommentar. Die Handschrift vermittelt so ein vertieftes Verständnis des biblischen Textes. Auf Bilder, die zur meditativen Versenkung ins Heilgeschehen anregen, verzichtete man jedoch.