„Mit den Liedern nach George ist es mir zum erstenmal gelungen, einem Ausdrucks- und Formideal nahezukommen, das mir seit Jahren vorschwebt. Es zu verwirklichen, gebrach es mir bis dahin an Kraft und Sicherheit. Nun ich aber diese Bahn endgiltig {sic] betreten habe, bin ich mir bewußt, alle Schranken einer vergangenen Ästhetik durchbrochen zu haben. […] nicht Mangel an Erfindung oder an technischem Können, oder an Wissen um die anderen Forderungen jener landläufigen Ästhetik [drängen] mich in diese Richtung […], sondern, daß ich einem innern Zwange folge, der stärker ist, als Erziehung; daß ich jener Bildung gehorche, die als meine natürliche mächtiger ist, als meine künstlerische Vorbildung.“ (Arnold Schönberg, 1910) Stefan Georges Lyrikband Die Buecher der Hirten- und Preisgedichte der Sagen und Saenge und der haengenden Gaerten unterteilt sich in drei aneinander anschließende Teilbände, wobei Schönberg sich vor allem durch den dritten angezogen fand. Die dort versammelten Gedichte geben die Geschichte eines jungen Prinzen und seines sexuellen Erwachens in einem paradiesischen Garten in poetischen Bildern wieder. Das beherrschende Thema ist die Verwandlung: ein naiver Jugendlicher betritt den Garten, um schließlich die Erfüllung aller Sehnsüchte mit seiner Geliebten in einem Blumenbett zu finden. Wenn er nach diesem Erweckungserlebnis von ihr verlassen wird, zerfällt auch der Garten. Schönberg entschied sich mit seiner Gedichtauswahl dagegen, wie George einen durchgehenden Erzählfaden anzudeuten. Die Neigung des Komponisten zu Knappheit ist unübersehbar, mehr als die Hälfte der Stücke sind kürzer als zwei Minuten. So kann jedes Lied aus dem Zyklus als Destillat eines Gedankens, einer Stimmung, oder gar eines flüchtigen Moments gehört werden. Hier offenbart sich einer der hervorstechenden Züge von Schönberg als Künstler: sein ausgeprägtes Feingefühl für aphoristischen Ausdruck.