Diese Statue einer unbekannten Königin zählt zu den ramessidischen Plastiken. In ihrer rechten Hand trägt sie einen gebogenen Wedel, eine Form, die seit der 12. Dynastie bekannt ist und im Neuen Reich ausschließlich bei Königinnendarstellungen Verwendung fand. In ihrer Linken hält sie vermutlich ein Tuch oder eine unvollendete Lotosblume. Auf der Strähnenperücke sind an einem Stirnband zwei Uräusschlangen befestigt, von denen die eine die Rote Krone Unterägyptens und die andere die Weiße Krone Oberägyptens trägt. Der Wedel und die Uräusschlangen sind königliche Symbole. Neben diesen Insignien fällt die sogenannte Hathor-Krone mit ihren Federn, dem Kuhgehörn und der Sonnenscheibe auf. Durch dieses Attribut wird die Königin in den Status einer Gottesgemahlin erhoben. Auf dem Sockel und dem Rückenpfeiler der Skulptur sind keine Inschriften erhalten geblieben, sodass die Zuordnung zu einer bestimmten Königin nicht möglich ist. Die bekannteste vergöttlichte Königin ist Ahmes-Nefertari, die Stammmutter der 18. Dynastie. Sie wird insbesondere in der 19. und 20. Dynastie in Deir el-Medine verehrt. Eine Zuweisung der Statue an diese Königin ist wahrscheinlich, aber nicht eindeutig belegbar.
Da die Herkunft der Standfigur unbekannt ist, können nur Vermutungen über ihren ursprünglichen Aufstellungsort gemacht werden. Häufig waren Königsstatuen im Neuen Reich im Tempelbezirk aufgestellt. Hier repräsentierten sie das ägyptische Königtum und empfingen Opfergaben. Gleichzeitig betonten sie mit dieser Aufstellung ihre enge Beziehung zu den Göttern und damit die Macht der ägyptischen Herrscher. Das göttliche Attribut der Königin, die Hathorkrone, symbolisiert diese Gott-Mensch-Verbindung im Rang der „Gottesgemahlin des Amun“. Dieser altägyptische Titel ist von der 18. bis in die 26. Dynastie belegt und die Aufgaben der Amtsinhaberinnen reichten weit über die bisherigen traditionellen Priesterinnenämter hinaus. Neben den klassischen Aufgaben wie Musizieren und Tanzen für die Götter, führten sie Rituale und kultische Handlungen aus, um beispielsweise die Feinde Ägyptens zu vernichten. Als Gottesgemahlin wurden in der 18. und 19. Dynastie hauptsächlich die großen königlichen Gemahlinnen bezeichnet, die auch in den meisten Fällen den Thronerben gebaren. In diesem Sinne vereinigte sich die Gottesgemahlin mit dem Schöpfergott Amun-Re und legitimierte somit die göttliche Abstammung des zukünftigen Pharao.
(M. Jung)