Dieses Gemälde eines unbekannten Künstlers hing einst über dem Altar einer Kirche und zeigt die Verkündigung, eines der heiligsten Ereignisse im Christentum. Der Erzengel Gabriel links wurde von Gott gesandt, um Maria zu offenbaren, dass sie die Mutter Jesu werden würde. Maria ist zunächst verwirrt und zieht ihre rechte Hand zurück, weg von dem Engel. Doch schon bald nimmt sie ihr Schicksal an – ein Augenblick, der als der Beginn eines neuen Zeitalters gilt.
Das Altargemälde entstand um 1500 in der toskanischen Stadt Lucca, während der Blütezeit der Renaissance. Die Proportionen der Körper sind anatomisch richtig wiedergegeben, der Raum ist nach den Regeln der zentralen Perspektive realistisch dargestellt und führt das Auge in eine weite Landschaft im Hintergrund. Verschiedene Motive aus der Antike fallen auf: von Marias Thron, der mit einem Greif, einem Fabelwesen, geschmückt ist, bis zur Architektur des Raumes.
Der christliche Glaube der Renaissance hat indes nicht jedes Symbol aus dem Mittelalter verdrängen können. Im Bildhintergrund können wir links einen Papagei erkennen, einen Vogel, der von jeher mit der Verkündigung verbunden wird, da er das Wort "Ave" (Sei gegrüßt!) sagen kann, jenes Wort, das der Erzengel Gabriel sprach, als er die Jungfrau Maria grüßte.
In der Renaissance manifestierte sich somit eine fortschrittliche Religion, in der mittelalterlicher Aberglaube allerdings noch sehr lebendig war.