Seit 1895 war Gotthardt Kuehl Professor für Genremalerei an der Kunstakademie in Dresden. In den folgenden Jahren wählte er verschiedentlich die Räume seiner Dresdner Wohnungen zum Motiv und zeigte diese Bilder mit Erfolg in den Ausstellungen der Berliner Secession. Häuser, Gärten und Wohnräume waren vor dem Hintergrund zunehmender Industrialisierung, Beschleunigung und Anonymität zu Orten des kultiviert Privaten, des Rückzugs und der Stille geworden. Die umfassende Reformbewegung um 1900 entsprang dieser Sehnsucht und sie verstärkte den Sinn selbst für die Wirkung menschenleerer Räume. Kuehl pflegte auch in diesem Genre eine Vorliebe für Farbgegensätze: Hier setzt er türkisblau gegen rotbraun. Er wie andere Maler dieser Jahre »transponieren das Interieur ins Stillebenhafte, indem sie statt des Raumes nur die Wand und das Arrangement vieler hundert Dinge an der Wand sehen lassen […] auch hier werden die Sachen wie die Menschen nur nach ihrer farbigen Oberfläche und ihrem Zusammenklingen zu farbigen Symphonien hin geschildert« (R. Hamann, Die deutsche Malerei im 19. Jahrhundert, Berlin 1914, S. 302). Interieurs sind zugleich atmosphärische Studien; sie erscheinen vom hereinfallenden Licht belebt und sie berichten mit jedem Gegenstand von der Individualität ihrer Bewohner. | Angelika Wesenberg
You are all set!
Your first Culture Weekly will arrive this week.