Auf der schlanken, sich leicht nach oben verjüngenden Stele, die von einer prächtigen Volutenpalmette bekrönt und abgeschlossen wird, ist ein Mädchen dargestellt, das ernst und versunken auf ein Kästchen blickt, dem sie einen einst in Malerei ausgeführten Gegenstand oder Weihrauchkörner entnimmt. Zu ihren Füßen steht der Deckel des zylindrischen Behälters. In der Literatur und in Grabepigrammen wurde der Tod des dem Kindesalter entwachsenen, aber noch nicht verheirateten Mädchens besonders beklagt. So wird auch in den Grabreliefs die jugendliche Schönheit der Verstorbenen vor Augen geführt als Sinnbild des gerade erblühten, zu früh dahingegangenen Lebens. Die reiche Gewandung der archaischen Zeit mit Chiton, Mäntelchen und Schleier ist nun einem schlichten und schweren Wollgewand, dem Peplos, gewichen, das seitlich offen ist und einen bis an die Hüften herabfallenden Überschlag zeigt. Unter den schweren Falten des Gewandes, das trotz der flachen Modellierung des Reliefs Raumtiefe suggeriert, zeichnet sich die Bewegung des Körpers in wenigen markanten Details ab, etwa in der eingezogenen Rückenlinie im seitlich offenen Peplos. Dieser wurde einst von einer bronzenen Fibel an der Schulter geziert und gehalten. Das Ohrläppchen des Mädchens ist durchbohrt und war mit einem Ohrring geschmückt. In der klassischen Körperbewegung der Ponderation, also in der Unterscheidung von belastetem Stand- und entlastetem Spielbein, in der darauf antwortenden leichten Körperdrehung und Kopfneigung, ist bereits deutlich der Strenge Stil der griechischen Klassik erreicht. Eine neue Stimmung und Gefühlsdimension ist den klassischen Werken eigen: Das Mädchen geht nachdenklich und ernst ihrer Beschäftigung, dem Anlegen des bräutlichen Schmucks oder der Weihrauchspende nach. Die jung Verstorbene ist nun eine Braut des Hades und bereitet sich in stiller Versunkenheit auf ihr neues Dasein vor. Da uns in Athen von etwa 500 bis 430 v. Chr. Grabreliefs fehlen – sei es aufgrund erlassener Grabluxusgesetze oder deshalb auch immer – wird das Relief in Ostgriechenland, wohl auf der Insel Paros, um 460 v. Chr. gearbeitet sein.