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Die Glasamphora aus Olbia – ein fragiles Meisterwerk

Unbekannt-150/-100

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Berlin, Deutschland

Ein Meisterwerk hellenistischer Glasmacherkunst ist die berühmte Amphora aus Olbia, mit fast 60 cm Höhe das größte aus der Antike erhaltene Glasgefäß. Friedrich Ludwig von Gans schenkte sie 1912 mit seiner großen Sammlung an Schmuck und Gläsern im Wert von 1,6 Mio. Mark dem Berliner Antiquarium. In der Antike diente die Amphora als Prunkgefäß bei Gelagen: Der rote Wein schimmerte im glasklaren Bauch und konnte aus Weinschläuchen in den Händen von kleinen Satyrn auf beiden Seiten ausgeschenkt werden. Erst seit ihrer schwierigen Restaurierung 1976 im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz strahlt die Schönheit des schlanken Gefäßes aus entfärbtem und blasenfreiem Klarglas. Sein Körper besteht aus zwei Teilen: Der weit ausladende Bauch auf hohem Fuß und die Schulter mit langem Hals und auskragender Mündung passen genau aufeinander; die Fuge verdeckt ein mit Efeuranken verziertes Band aus vergoldetem Kupferblech. Die formale Verwandtschaft der Glasamphora aus Olbia zu bemalten Tonamphoren von der Nordküste des Schwarzen Meeres legt ihre Herstellung vor Ort nahe. Der Vergleich mit großen Fußschalen aus Italien, Spitzamphoren aus Griechenland, einem Glaseimer aus Kreta oder großen Bechern mit geschliffenen Henkeln aus der Kaukasus-Region datiert sie in die Zeit des späten Hellenismus. Glas, der älteste Kunststoff der Welt, ist ein Gemisch aus Kieselsäure und Alkali als Flussmittel; für seine Haltbarkeit muss in einer Komponente genügend Kalk vorhanden sein. Das Rohglas wurde bis in römische Zeit in wenigen spezialisierten Schmelzen in Vorderasien und Ägypten hergestellt, ge- oder entfärbt und in Barren zum Verarbeiter transportiert. Glas ist seit dem späten 3. Jahrtausend in Mesopotamien bekannt, Gefäße erst aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. Seit dem 8. Jahrhundert wurden kleine Flaschen und Becher aus Klarglas in der einteiligen Form geschmolzen, der Rohling nach Erkalten wie ein Edelstein-Gefäß ausgebohrt. Dünnwandige Schalen entstanden durch Schmelzen von Glaskröseln in der Form oder durch Absenken eines vorfabrizierten Rohlings über einer Kernform. Das für hellenistische Luxusgläser bevorzugte klare Rohglas stammte vermutlich aus Sidon, berühmt für eine besonders reine Schmelze aus dem Sand des Belos. In Jerusalem fand man die frühesten, um 75 v. Chr. datierten Versuche des Glasblasens; mit der Glaspfeife begann eine technische Revolution hin zur preiswerten Serienproduktion. Die zweiteilige Amphora und ähnlich kunstvolle Gefäße aus Glas markieren den Höhepunkt einer technischen Entwicklung, die Jahrhunderte alte Erkenntnisse und Erfahrungen in der Herstellung von Bronzen im Wachsausschmelzverfahren mit verlorener Form, im Abdrehen auf der rotierenden Scheibe, im Absenken von heißem Glas auf einer Tonform ebenso voraussetzen wie den geschickten Einsatz des Fidelbogens zum Schleifen mit Korundpulver bei Edelstein- und Glasgefäßen. Erstaunlicherweise wird dies bis heute von einigen Glasspezialisten bestritten. Umso überzeugender ist das Ergebnis der jahrelangen Versuche von Josef Welzel, der sich auf Grundlage von Beobachtungen des Chemikers Klaus Kühne an das Rätsel der Glasamphora herantastete. Welzel, erfahrener Glasschleifer und langjähriger Lehrer an der Staatlichen Glasfachschule Hadamar, hatte bereits alle – z. T. nur in Fragmenten oder alten Fotos erhaltenen – Diatretgläser, den »Lykurgos«- und den »Pharos-Becher«, die »Portland-Vase« und andere Kameogläser nachgebildet. Auch für die Rekonstruktion der Glasamphora verwendete Welzel nur in der Antike erprobte Techniken: Gipsmodell, Negativform für die Wachsform, Kernform aus Schamotte zum Absenken der runden Glasplatten. Die Schamotteformen für Bauch und Fuß mit dem abgesenkten Glas und den Kernformen, exakt aufeinander gesetzt, wurden im Muffelofen etwa 7 Stunden lang bei 690° C erhitzt. Der Kern drückt auf das nur zähflüssige Glas und passt sich der Außenform an. Dank der niedrigen Temperatur verbanden sich beide Teile ohne Schlieren oder Blasen. Zur Vermeidung von Spannungen im Glas erfolgte das Abkühlen über 7 Tage. Der Glaskörper wurde nach Entfernen der Form auf einer Drehscheibe außen mit einer Schleifscheibe, innen mit einem Fidelbogen überarbeitet und mit Sandstein geglättet. Für das Oberteil der Amphora wurden Schulter und Mündung entsprechend vorgefertigt, der lange Hals als Glasstab eingefügt; nach dem Verschmelzen der drei Teile wurde auf der Drehbank die etwa 15 cm lange Halsöffnung – entsprechend den Spuren am Original – herausgebohrt, die Übergänge abgeschliffen. Die Herstellung des Deckels erfolgte analog, die der beiden S-Henkel in der offenen Form. Kopien der Henkelattaschen, der Ausgüsse sowie des Deckelknaufs vervollständigten die Nachbildung. Sie konnte im Winter 2008/09 in einer Sonderausstellung neben dem antiken Original im Alten Museum präsentiert werden. Das kostspielige, aufwändige und riskante Verfahren, rekonstruiert nach über zweitausend Jahren, vermittelt eine Vorstellung von Wert und Prestige dieses raffinierten Prunkgefäßes, das sich ein reicher Bürger aus Olbia für seine Trinkgelage leistete.

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  • Titel: Die Glasamphora aus Olbia – ein fragiles Meisterwerk
  • Ersteller: Unbekannt
  • Datierung: -150/-100
  • Ort: Aus Olbia am Schwarzen Meer
  • Abmessungen: h59,6 cm
  • Typ: Amphora
  • Material: Klarglas, vergoldetes Kupferblech
  • Sammlung: Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Inv.-Nr.: 30219, 254
  • ISIL-Nr.: DE-MUS-814319
  • Externer Link: Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
  • Copyrights: Text: © Verlag Philipp von Zabern / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Gertrud Platz-Horster || Photo: © b p k - || Photo Agency / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Ingrid Geske
Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

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The glass amphora from Olbia: a fragile masterpiece (Supplemental)

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