Im Jahre 1615, »als die Manier Caravaggios allgemein war«, ging der junge Honthorst, wie viele holländische Maler, nach Rom. Er war in der großen Werkstatt des berühmten Abraham Bloemaert in Utrecht ausgebildet und dort mit den Stileigenheiten des florentinischen und venezianischen Manierismus vertraut gemacht worden. Unter dem Eindruck der italienischen Kunst der Renaissance löste er sich jedoch von den in seiner Heimat gängigen Manierismen. Die große Form, die Komposition, die Zeichnung, die Kontrastwirkung von Licht und Schatten wurden jetzt wesentlich. Unser Bild ist das früheste bekannte Auftragswerk, das Honthorst in Rom schuf. Es entstand um 1616/18 für den Kunstkenner und Sammler Marchese Vincenzo Giustiniani, einem Förderer des modernen Caravaggismus. Honthorst reduziert in dieser Komposition die Schilderung in der Apostel geschichte (12,6-7) auf die Worte: »Stehe behende auf!«, mit denen der Engel den überraschten Gefangenen Petrus von der aufgestoßenen Tür her auffordert, den Kerker zu verlassen. Die Kriegsknechte und die Hüter des Kerkers stellt er nicht dar, auch nicht die Ketten, die von den Händen des Gefangenen fallen sollen. In der Konzentration auf Petrus und den Engel, auf deren heftige körperliche und seelische Bewegung, die gleichsam getragen wird von dem großartigen Licht- und Schattenprogramm, in der kraftvollen Plastizität der Gestaltung sowie in der warmtonigen Farbgebung sind bereits alle caravaggesken Stilmerkmale angewandt. Sie verleihen der Szene ein magisches Pathos. Offenbar ist etwa die Geste des Engels bei Honthorst direkt von einem Vorbild Caravaggios, der »Berufung des Matthäus« in der römischen Kirche S. Luigi Francesi, entlehnt. Diese frühe Bildfindung Honthorsts ist allgemein als Meisterleistung empfunden und deshalb in zahlreichen Repliken und Kopien wiederholt worden. Eine Zeichnung im Kupferstichkabinett Dresden galt vormals als eigenhändige Vorzeichnung zum Berliner Gemälde, wird aber inzwischen Abraham Bloemaert zugeschrieben.