Die kleine Wäscherin

Pierre Bonnard war 1889 Mitbegründer der Künstlergruppe der Nabis, die sich als Malerradierer (peintre-graveurs) verstanden und die Künstlergraphik wiederbeleben wollten. In Absetzung zu der illusionistisch-naturalistischen Kunst an der Akademie propagierten sie eine subjektiv verinnerlichte Kunst. Dabei sahen sie die Ausdrucksmöglichkeiten eines Bildes weniger im Bildgegenstand. Vielmehr war für sie das Bild „zuallererst einmal nur eine Fläche […], bedeckt mit Farben, die in einer bestimmten Weise angeordnet sind“, wie Maurice Denis, der Theoretiker der Gruppe, 1890 programmatisch schrieb. Mit dem Plakat France-Champagne feierte Bonnard seinen künstlerischen Durchbruch. Die dreifarbige Lithographie wirbt für E. Debrays Champagner aus Reims. Sie zeigt in kurvigen Umrisslinien die Silhouette einer jungen Frau, die sich von dem leuchtend gelben Untergrund abhebt. Als Halbfigur mit schwungvoll bewegtem Kleid, tiefem Dekolleté und fliegenden Locken prostet sie dem Betrachter mit einem Glas Champagner zu, aus dem sich kaskadenhaft eine große Welle Schaum ergießt. Durch wenige sprechende Details gelingt es Bonnard, die Figur als eine mondäne, ausgelassen heitere Frau zu charakterisieren. Auch bei der Petite Blanchisseuse, Bonnards wohl bekanntester Lithographie, verzichtete er auf Modellierung. Die Figur ist tiefenräumlich stark verkürzt und so in die Fläche projiziert, dass der Grund der Straße das Bild füllt und den Raum komprimiert. Die ungewöhnliche Luftperspektive gibt der schwarzen Silhouette des Mädchens Tiefe. Dadurch, dass das Mädchen in Aufsicht gegeben ist, erscheint der Hund auf gleicher Kopfhöhe. Beide Arbeiten Bonnards spiegeln seine besondere Beeinflussung durch den Japonismus, die ihm den Beinamen „Le Nabi japonard“ einbrachte: sowohl in den ungewöhnlichen Blickwinkeln, der Ausschnitthaftigkeit der nahansichtigen Motive und der flächigen Bildanlage als auch in der ausdrucksstarken Linienführung und der Vernachlässigung naturalistischer Details.