„Die Beweinung Christi“ von Eugène Delacroix zeigt ein besonders ausdrucksstarkes Gemälde, das den Schmerz der Muttergottes über den Tod ihres Sohns nicht religiös entrückt, sondern ihre Verzweiflung unmittelbar zeigt. Dies war nicht selbstverständlich. Spätestens während der Französischen Revolution hatte die christliche Heilsgeschichte ihre selbstverständliche Geltung verloren. Im Volksglauben zeigten sich Risse. Mit seiner persönlichen Interpretation der Trauer gelang es Delacroix jedoch, das christliche Thema innovativ und mit Empfindsamkeit darzustellen.
Bereits 1843/44 hatte der Künstler für die Kirche Saint-Denis du Saint-Sacrement in Paris ein Wandbild mit dem Motiv der „Beweinung Christi“ geschaffen, das Charles Baudelaire 1846 als einen „furchtbaren Hymnus auf das Leiden“ lobte. Bei dem Karlsruher Gemälde handelt es sich um eine spätere Fassung im kleineren Format. Hierfür griff der Künstler offenbar auf Entwürfe für den Pariser Kirchenraum zurück, die zunächst noch eine seitenverkehrte Komposition verfolgt hatten.
Das Karlsruher Bild wird von einer strengen Komposition bestimmt, die den Reichtum der Gesten und Farben zur Geltung bringt: Die trapezförmig arrangierte Figurengruppe wird umfasst vom Oval der Höhlenwände. Um Maria und Christus drängen sich Maria Magdalena zu Christi Füßen sowie Maria Kleophas, die seine durchbohrte Hand hält. Hinter der Gottesmutter, mit zum Gebet gefalteten Händen, ist möglicherweise Maria Salome zu sehen. Bei den zwei Männern handelt es sich um Nikodemus und Joseph von Arimathäa, der seine Hand mitfühlend über die Schmerzensmutter hält.
Sie selbst breitet ihre Arme weit aus. Der Künstler zitiert hierbei ein Bildmotiv Rosso Fiorentinos aus der Zeit um 1530/35. Demnach erfährt Maria die Schmerzen des Toten und dessen Martyrium am eigenen Leib.
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