Das Bild „Der Aufschrei“ malte Wolfgang Lettl im Juni 1989 an seinem Zweitwohnsitz in Apulien. Es ist eine Weiterentwicklung des Bildes "Prometheus" aus der "Grauen Serie"
Auffallend ist zunächst der wuchtige, tönerne Torso mit hilferufend nach oben gereckten klobigen Händen und schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck. Er ist im Brustbereich aufgebrochen, aus ihm heraus flattert ein weißer Vogel. Die drei Gitterstäbe im Inneren des Torsos vermitteln noch den Eindruck eines Käfigs bzw. des Eingeschlossen seins.
Der männliche Torso befindet sich am Ufer eines Gewässers, auf dem sich mehrere Boote mit jeweils einer Person befinden. Die in den Booten kieenden bzw. sitzenden Menschen haben mit schwarzen Tüchern verbundene Augen und beschäftigen sich damit die Wasseroberfläche zu beruhigen.
Im Himmel zeigt sich eine bedrohliche dunkle Stimmung.
Soweit die Bildbeschreibung.
Auf dem Hintergrund der Zeitgeschichte kann diese Bild mit der Wende, der friedlichen Revolution und dem Ende der DDR gesehen werden.
Der Torso wurde von innen heraus durch die Menschen die sich nach Freiheit sehnten brüchig. Mit der symbolischen Zerschneidung des ungarischen Stacheldrahtzaunes durch den ungarischen Außenminister Gyula Horn und seinen österreichischer Amtskollege Alois Mock am 27. Juni war die Mauer plötzlich durchlässig. Anfang Juli kommt es zu einer massenhaften Ausreisebewegung von Bürgern aus der DDR über Ungarn und die Tschechoslowakei.
Wie blind die SED-Spitze für die Realität war und wie sie versuchte die Wellen nicht zu hoch schlagen zu lassen wird am deutlichsten am 7. Oktober 1989 am „Tag der Republik“ anlässlich der Feiern zum 40. Gründungstag der DDR.
Erich Honecker inszeniert ein letztes Mal die gewohnten Jubelfeiern und Volksfeste in Berlin, aber die Bürger identifizierten sich nicht mehr mit der Parteiideologie. Es kam zu zahlreichen Gegendemonstrationen, die man mit Gewalt niederzuschlagen versuchte.
Die letzten Gitterstäbe brachen schließlich am 9. November 1989 mit dem Mauerfall.