Sebastiano Ricci, der als wichtigster venezianischer Barockmaler seiner Zeit gilt, stellte mit den beiden bühnenartig komponierten Pendantbildern jeweils eine Szene aus der Geschichte von Joseph und seinen Brüdern dar. Das erste Bild erzählt die Geschichte von Josephs Schwester Dina, die von Sichem, dem Sohn des reichen Fürsten Hamor, aus Kanaan geraubt und entehrt wurde (1 Mose 34). Aus Liebe zu ihr bat Sichem seinen Vater, Dina heiraten zu dürfen. Der wiederum besprach sich mit Dinas Vater Jakob, der in die Heirat einwilligte, unter der Bedingung, dass alle Männer aus Sichems Stamm im Zeichen des Alten Bundes beschnitten werden sollten. Drei Tage später aber, als alle Sichemiten durch den Ritus geschwächt waren, tilgten Dinas Brüder Simeon und Levi dennoch den Frevel an ihrer Schwester, indem sie die Stadt überfielen, die männlichen Einwohner töteten und Dina gegen ihren Willen zurückbrachten. Riccis Gemälde beschreibt den dramatischen Frauenraub in einer pyramidalen Komposition, in die links der noch schwache, am Stock gehende Fürst Sichem eingebunden ist. Das Pendantbild beschreibt Josephs Versöhnung mit seinen Brüdern (1 Mose 45). Die elf Brüder hatten ihn nach Ägypten verkauft, wo Joseph am Hof des Pharaos zu großen Ehren gekommen war und wo sie ihm wieder begegneten, nachdem eine Hungersnot sie zum zweiten Mal nach Ägypten hatte reisen lassen. Während sich die Brüder zunächst Josephs Identität nicht bewusst waren, erkannte Joseph sie sofort. Doch ließ er sie zunächst im Ungewissen und beschuldigte sie der Spionage. Erst als ihr jüngster Bruder erschien, gab er sich zu erkennen. Ricci beschreibt, wie Joseph, umgeben von Würdenträgern, seinen untertänig knienden Brüdern verzeiht und gerührt seinen jüngsten Bruder Benjamin in die Arme schließt.