„Der Bauer“: Dies ist die Bezeichnung, die mit Pieter Bruegel dem Älteren, größtes Genie der flämischen Kunst des 16. Jahrhunderts - nicht etwa, weil er die Erde umpflügte (er war ein gebildeter Städter), sondern weil er mit Vorliebe und mit einer wohlwollenden Ironie das bäuerliche Leben darstellte - verbunden wird. Seine Gemälde erden gleichwohl von der Erde geprägt, da er einen Standpunkt in Bodenhöhe einnimmt. Er interessierte sich wenig für die Helden der großen Menschheitsgeschichte und konzentrierte sich auf das Bild, das sich die einfachen Leute von den Ereignissen machte, sowie auf ihren alltäglichen Einfluss. Zwar drängt sich mitunter der Gedanke auf, dass die Ereignisse ihr Leben in keiner Weise beeinträchtigen, was beispielsweise bei der Betrachtung von Bruegels Landschaft mit Sturz des Ikarus der Fall ist, wo die lächerliche Rebellion des Menschen einzig ein Sandkorn in der göttlichen Ordnung ist.
Die Predigt Johannes des Täufers, Hauptwerk des Künstlers, widerspricht jedoch dieser Feststellung. Hier wird die Welt in ihrer fesselnden Vielfalt erfasst: Adlige, Priester, Soldaten, Städte, Bauern, Flamen, Spanier, Juden, Zigeuner, Türken, Gesunde und Gebrechliche. Diese Geschichte widmet sich indes nicht etwa den Unterschieden sondern der Einheit, dem neuen Pakt, den Christus mit der gesamten Menschheit schließt und der mit den Worten des Propheten vorausgesagt wird. Diese gemeinsame Erfahrung durchquert die farbenfrohe Menge und hallt in ihren Seelen wider. Jeder Sinn wird vom Bewusstsein geprägt, dass dieser Augenblick besonders ist, dass sich der Erlöser gemäß den Erklärungen des Propheten in der Menge verbirgt und - auch wenn er dies noch nicht getan hat – sich bald verkünden wird.
Axel Vécsey