Die beiden Altarflügel gehören zu den bedeutendsten Werken deutscher Malerei in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Sie befanden sich im 18. Jahrhundert in der Kunstsammlung des Grafen von Waldburg-Zeil auf Schloss Wurzach, wovon sich der Beiname »Wurzacher Altar« herleitet. Außen- und Innenseiten der in späterer Zeit getrennten Flügel zeigen je zwei übereinander angeordnete Szenen aus der Passion Christi und dem Marienleben. Die Szenen der Passion Christi befanden sich ursprünglich auf den Außenseiten der Flügel und waren den größten Teil des Jahres zu sehen, wenn das Retabel geschlossen war. Über ihnen dürfte sich ein geschnitzter Kruzifix erhoben haben. Eröffnet wird die Passionsfolge durch »Christi Gebet am Ölberg«. Links kauern schlafend die Jünger, die Christus beim einsamen Wachen allein ließen. Hinten rückt die Schar der von Judas angeführten Häscher heran. Die sich anschließende Szene »Christus vor Pilatus« wird beherrscht von der tobenden Menschenmenge. An ihrer Spitze wird Christus herbeigeführt. Pilatus wäscht seine Hände zum Zeichen, dass er unschuldig am Tod des Herrn sei. Es folgt die »Kreuztragung Christi«. Gebeugt von der Last des Kreuzes schreitet Christus voran. Simon von Kyrene, den man zur Mithilfe zwang, folgt ihm nach. Hilflos stehen Maria, Johannes und die Frauen daneben, geschmäht und verhöhnt von Schaulustigen und Soldaten. Steine werfende Kinder begleiten den Herrn auf dem Weg zur Richtstätte. Den Abschluss bildet die stille Szene der »Auferstehung«. Christus entsteigt dem versiegelten Sarkophag, der in einer Felshöhle liegt. Er hat die Rechte segnend erhoben und hält in der Linken die Kreuzesfahne zum Zeichen des Sieges. Um das Grab herum liegen die schlafenden Wächter. Die Marienszenen flankierten als Flügelinnenseiten einst einen Schrein mit großen Schnitzskulpturen, die sicherlich die Madonna umgeben von Heiligen darstellten. Am Anfang steht die »Geburt Christi«. Unter dem Dach des Stalles knien Maria und Joseph in frommer Betrachtung und Anbetung des Kindes. Draußen auf dem Feld verkündet der Engel den Hirten die Geburt des Herrn. Links hinter dem Bretterzaun drängen sich Männer und Frauen, deren Gesichter Freude, Neugier und Staunen ausdrücken. Es folgt die »Anbetung der Könige«. Die Magier bringen dem neugeborenen Herrscher der Welt Gold, Weihrauch und Myrrhe in kostbaren Gefäßen dar. Alter und Habitus der Könige zeigen, dass sich mit ihnen alle Lebensalter und alle der damals bekannten Erdteile vor Christus verneigen. »Das Pfingstfest« zeigt Maria im Kreis der zwölf Apostel in einem kapellenartigen Raum. Darüber schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, der über die Gläubigen ausgegossen wird. Die Strahlen bilden kleine Feuerzungen über den Häuptern der feierlichen Versammlung. Den Abschluss der Szenenfolge bildet der »Marientod«. Die Verstorbene liegt auf dem Bett, um das sich die Apostel versammelt haben. Bei ihnen ist Christus, der die Seele Marias zu sich genommen hat. Am unteren Rand des Marientodes fi ndet sich eine wie eingemeißelt erscheinende Schriftzeile, die Hans Multscher als den verantwortlichen Meister des Werks und 1437 als Vollendungsdatum nennt. Der in Ulm tätige Multscher, einer der führenden Künstler seiner Zeit, wird in den Quellen stets als Bildhauer bezeichnet und so ist umstritten, ob er nur die heute verlorenen Skulpturen oder auch die Gemälde des Altars selbst ausgeführt hat.
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