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Die »Fenstergucker«

Unbekannt-30/-20

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin

Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Berlin, Deutschland

An "Gräberstraßen", in der Nähe von Stadttoren und Straßenkreuzungen in- und außerhalb Roms trifft man auf charakteristische, in die Grabfassade eingemauerte Reliefs. Typisch für sie ist die kastenförmige Rahmung, welche die Oberkörperausschnitte der Verstorbenen umgibt. Meist sind Ehepaare dargestellt, manchmal auch mit ihren Kindern. Etwa 125 solcher Reliefs sind allein aus Rom und seiner unmittelbaren Umgebung bekannt. Auf vielen von ihnen befindet sich eine Inschrift, aus der hervorgeht, dass es sich vorwiegend um Freigelassene (Libertini) bzw. Nachkommen von Freigelassenen handelt. Auch auf unserem Relief verkünden große, sorgfältig eingemeißelte Buchstaben die Namen der Dargestellten: Publius Aiedius Amphio, Freigelassener des Publius, und Aiedia Fausta Melior, Freigelassene des Publius. Kein Blickkontakt, nur eine leichte Kopfwendung und ihr Händedruck verbindet sie miteinander. Verglichen mit den detailliert und schonungslos wiedergegebenen Altersmerkmalen im Gesicht des Mannes und seiner sorgfältig drapierten Toga wirken die ineinander gelegten Hände von Mann und Frau eher unbeholfen. Die linke Hand der jugendlich dargestellten Frau, mit der sie in ihr Gewand greift, schmücken zwei deutlich zu erkennende Ringe. Es waren fast ausschließlich einer sozialen Mittelschicht angehörende Freigelassene, die diese Form der Grab denkmäler in spätrepublikanischer Zeit und den ersten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts n. Chr. bevorzugten. Die ikonographischen Besonderheiten des Reliefs erklären sich durch diese spezielle Gruppe von Auftraggebern und deren Intentionen: Bildliche Darstellung und Inschrift der Grabreliefs sind ganz darauf ausgerichtet, jedem den Erfolg, das römische Bürgerrecht erworben zu haben, deutlich vor Augen zu führen. Der Nennung des römischen Namens kam dabei große Bedeutung zu. Sklaven besaßen nur einen, meist griechischen Namen. Nach ihrer Freilassung übernahmen sie den Vor- und Gentilnamen ihres Patrons; ihr Sklavenname, wie hier Amphio, wurde ihr Beiname. Auch Aiedia trägt als Cognomen ihren ehemaligen Sklavennamen Fausta Melior. Die Toga, die öffentliche Tracht des römischen Bürgers, war ebenfalls ein Statussymbol, das auf den Reliefs entsprechend vorgeführt wird. Die unverhältnismäßig große Hand des Aiedius, die er seiner Frau reicht, unterstreicht die Bedeutung, die der Geste zukommt. Das Ineinanderlegen der Hände (dextrarum iunctio) war Bestandteil des römischen Hochzeitsrituals. Das Bildzeichen ›Händedruck‹ veranschaulicht die Rechtmäßigkeit der Eheschließung. Wirklichkeitsnah, mit tiefen Falten, schlaff herabhängender Gesichtshaut und Warzen im Gesicht, wollte sich Aiedius dargestellt sehen. Die ungeschminkte Angabe von Alter und körperlichem Verfall entspricht zwar einer Stilrichtung spätrepublikanischer Porträtplastik, ist bei den Freigelassenenbildnissen wohl aber auch als bewusste Anlehnung an die altehrwürdige römische Tradition der Ahnenbildnisse der vornehmen stadtrömischen Familien zu verstehen: Die Falten konnten so als Zeichen von hochgeschätzten römischen Tugenden wie Würde (dignitas) und Tüchtigkeit (virtus) aufgefasst werden. Dieser Tüchtigkeit war es zu verdanken, dass man sich einen gewissen Wohlstand erarbeitet hatte, auf den stolz mit dem demonstrativen Vorzeigen der Ringe verwiesen wird. Durch die Wahl des Standortes für das Grabmal an "Gräberstraßen", bei denen es sich ja um belebte Überlandstraßen handelte, oder einem anderen stark frequentierten Platz war die beste Voraussetzung gegeben, für seine Grabrepräsentation das größtmögliche Publikum zu erreichen. Wie in situ erhaltene Reliefs zeigen, blickten die Dargestellten aus ihrem kastenförmigen Rahmen in der Frontseite der Grabbauten wie Bewohner eines Hauses aus einem Fenster auf die Vorübergehenden herab und konnten von diesen ebenfalls gesehen werden.

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  • Titel: Die »Fenstergucker«
  • Ersteller: Unbekannt
  • Datierung: -30/-20
  • Ort: Rom, Via Appia
  • Abmessungen: w99 x h64 cm
  • Typ: Relief
  • Material: Weißer Marmor
  • Sammlung: Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Inv.-Nr.: Sk 840
  • ISIL-Nr.: DE-MUS-814319
  • Externer Link: Altes Museum, Staatliche Museen zu Berlin
  • Copyrights: Text: © Verlag Philipp von Zabern / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Sylvia Brehme || Photo: © b p k - || Photo Agency / Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin / Ingrid Geske
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