Diese Statuette des Zeus zählt zu den schönsten Bildern des Gottes in frühklassischer Zeit. Der Gott ist nackt und in energischer Vorwärtsbewegung dargestellt; im Vollzug seines göttlichen Willens schleudert er mit erhobenem Arm das Blitzbündel. Die plastische Bildung seines Körpers und die weit in die Fläche vorstoßende, überaus konzentrierte Bewegung zeigen Macht und Würde dieses Gottes. Meisterhaft sind die Proportionen des Körpers gebildet. Die gestreckten, schwellenden Muskelpartien unter der gleichmäßigen glänzenden Patina sind mit außerordentlichem Können durchgestaltet. Das Gesicht mit der geraden Nase, den großen Augen und den schmalen Lippen hat einen ernst entschlossenen Ausdruck; es ist gerahmt vom Bart und dem dichten Haarkranz über der Stirn. Mit dem Gravierstichel sind die Haare in feinsten Linien angegeben, in gleicher minutiöser Arbeit sind die Finger- und Zehenglieder mit den Nägeln und über dem männlichen Glied auch die Schamhaare hervorgehoben. Das Motiv dieser großartigen Haltung findet sich in der berühmten überlebensgroßen Statue des Gottes aus dem Meer beim Kap Artemision – heute im Nationalmuseum in Athen – wieder. Es ist ein altes Motiv, das in beiden Werken, dem großen Bild des Gottes aus dem Meer und dieser kleinen Statuette, seine vollendetste Ausbildung erfahren hat. Unsere Statuette wurde im Heiligtum des Zeus in Dodona gefunden. Dodona liegt in Epirus, in Nordwestgriechenland, und ist neben Olympia eines der ältesten Heiligtümer
des Zeus. Sie war dort als Votivgabe dem Gott dargebracht und aufgestellt. Wie die Lötspuren unter den Füßen der Statuette beweisen, war sie auf einer Basis aufgelötet. Ein frommer Pilger mag sie auf einer beschwerlichen Reise über Land aus der Peloponnes, vielleicht aus Korinth, nach Dodona gebracht haben, oder sie gelangte auf dem Handelsweg über eine der korinthischen Siedlungen an der Küste des ionischen Meeres in das Heiligtum. Die Statuette könnte aber auch in Epirus selbst hergestellt worden sein;Werkstätten von Bronzestatuetten werden auch in Ambra-kia vermutet. Die Stadt wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. von Gorgos aus Korinth, dem Sohn des mächtigen korinthischen Tyrannen Kypselos gegründet und war Ausgangspunkt einer Handelsstraße entlang dem Fluss Oropos nach Norden, nach Dodona. Die in Ambrakia lokalisierten Werkstätten sind ausgezeichnet durch ihren Stil, ihre plastische Qualität und eine auffallend gute Gusstechnik.