Cover der Neuausgabe "Dashiell Hammett Fliegenpapier" (2020) von Hans HillmannOriginalquelle: avant-Verlag, Berlin
Hans Hillmann, Pionier des deutschen Filmplakats, hat sieben Jahre an seiner Zeichnungsfolge zu Dashiell Hammetts Erzählung Fly Paper aus dem Jahr 1929 gearbeitet. Sein Fliegenpapier wurde 1982 mit 264 Seiten bei Zweitausendeins erstmals veröffentlicht. Jetzt wird sein Prototyp einer Graphic Novel im Berliner avant-verlag neu aufgelegt.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 12-13 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
New York 1926: Sue Hambleton, Tochter aus reichem Hause, brennt mit dem Gangster Hymie durch. Ihr Vater beauftragt die Continental Detective Agency damit, das Mädchen im Auge zu behalten, um ihr unnötige Schwierigkeiten zu vermeiden.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 28-29 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Nach einer Schießerei in einer Spelunke, in der Sue als Bardame arbeitet, verschwindet sie mit dem schwergewichtigen Babe McCloor. Ein namenloser Ermittler der Continental Detective Agency, zugleich Ich-Erzähler der Geschichte, setzt sich auf ihre Spur.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 30-31 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Der Autor Dashiell Hammett gehört zu den Erfindern des „Hardboiled Detective“, des illusionslos harten Ermittlers, der sein Fortleben im amerikanischen Film Noir der 1940er Jahre finden sollte.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 36-37 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Dashiell Hammett hatte die verschiedensten Berufe ausgeübt, bis er 1915 als Detektiv bei der Agentur Pinkerton in Baltimore anfing. 1923 erschien in dem Pulp Magazine Black Mask seine erste Geschichte eines namenlosen Ermittlers, des „Continental Op“ der Continental Detective Agency in San Francisco, der auch im Fliegenpapier auftritt.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 64-65 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Der Vater von Sue erhält ein Telegramm, in dem sie um die Übersendung einer größeren Geldsumme bittet. Er will die Spur der verlorenen Tochter wieder aufnehmen und schickt den Ermittler zur Geldübergabe. Dieser findet in dem Apartment nur einen Ganoven namens Joe Wales, in Gesellschaft einer Blondine, die sich für Sue ausgibt, aber eine zu lange Nase hat, um zu den Fotos von Sue zu passen.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 66-67 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Wie erzählt man eine Geschichte in Bildern? Hans Hillmann adaptiert in seinen Zeichnungen die Techniken des Films, mit ungewohnten Perspektiven, mit nahsichtigen Details der Personen und Räume oder mit weiten landschaftlichen Panoramen von San Francisco, mit dichten Sequenzen oder mit abrupten Schnitten der Bildszenen.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 96-97 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Anders als im Comic gibt der am unteren Seitenrand gedruckte Text im Buch nur die nötigsten Informationen. Es ist ein Ausschnitt aus dem Text – allein die Bilder erschaffen die Atmosphäre des Krimis: die Dramatik der Verfolgungsjagd, die Hitze in den Straßen, die Willkür des Geschehens, die Brutalität der Verhöre, die Einsamkeit der Figuren.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 108-109 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Wo ist Sue? Die falsche Sue hat es verraten, und als der Ermittler zu dem in der Nähe gelegenen Haus eilt, lässt ihn die Hausverwalterin ein. Er läuft das Treppenhaus hoch…
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 114-115 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
… und findet Sue tot auf ihrem Bett, vergiftet mit Arsen. Babe McCloor ist verschwunden. Wer hat sie umgebracht?
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 134-135 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Um das herauszufinden, geht der Detektiv wieder zurück. Dort hat ein Kollege den Betrüger Joe Wales in Schach gehalten. Er habe mit Sue und dem Geld abhauen wollen, behauptet Joe. Babe McCloor habe sie schlecht behandelt. Da wird die Fensterscheibe eingeschlagen und ein Revolver taucht auf. McCloor ist über die Feuerleiter heraufgekommen und erschießt Joe kaltblütig.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 150-151 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Der Ermittler nimmt die Verfolgung von Babe McCloor auf, kreuz und quer durch San Francisco. Hans Hillmann hat viele Fotografien der Stadt studiert. Zwei Reisen nutzte er zur Recherche: mit Bleistift und Kamera notierte er visuelle Details; Feuertreppen, Fensterblicke, Straßenecken, Möbel, Treppenhäuser.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 152-153 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Die akribischen Aquarelle in schwarz-weißen Farbtönen, mit unendlichen Abstufungen der Grautöne, mit einem unterlegten leichten Rotton, sind aus Licht und Schatten komponiert, realistisch in ihren Details, expressionistisch und stilisiert in der Komposition der Bildausschnitte und ihrer Figuren.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 156-157 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Auch wenn der Ermittler durch die Straßen von San Francisco jagt, scheint in der Verdichtung der Stadtbilder die Zeit wie ausgesetzt, der Blick in die Tiefe verzögert die Handlung wie der Suspense in dem Filmen von Alfred Hitchcock.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 176-177 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
In den Dialogen drängen sich die Figuren im Raum: Wie stehen die Figuren zueinander, wessen Körperhaltung zeigt, dass er den Verlauf der Geschichte bestimmt. Wer ein Gefühl für die Enge in dem Raum und den Geruch der Angst bekommen möchte, der kann es in den Zeichnungen spüren.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 186-187 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Der Ermittler setzt sich wieder auf die Spur von Babe McCloor. Wer Sue umgebracht hat, ist noch nicht geklärt. Es beginnt eine lange Fahrt mit einem Taxi, bei der McCloor durch Zufall beinahe gefasst wird und doch wieder entkommen kann.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 194-195 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Hans Hillmann entfernt sich in seinen Zeichnungen immer weiter vom Text. Nach seinem oft genannten Vorbild, den Bildern des amerikanischen Malers Edward Hopper, erfindet er atmosphärische Bilder der Einsamkeit und des Stillstands.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 220-221 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Im Zoom auf den Revolver und durch den Anschnitt des Körpers in der folgenden Bildszene entstehen nostalgische Filmbilder. Hans Hillmann konzentriert das Geschehen auf Bilder, die so intensiv sind, dass sie genügen, um die Handlung in wenigen Momentaufnahmen zu zeigen.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 228-229 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Der Ermittler stellt Babe McCloor und schießt ihm gezielt in das Bein. Die dramatische Szene im grellen Licht Kaliforniens beendet die lange Verfolgungsjagd durch San Francisco.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, S. 234-235 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Erst am Ende löst sich das Rätsel um den Tod von Sue: es scheint, als habe sie versucht, ihren Körper durch eine steigende Dosierung an das Gift Arsen zu gewöhnen, das ihr Joe Wales mit arsenhaltigem Fliegenpapier beschafft hatte. Einmal an das Arsen gewöhnt, habe sie Babe McCloor mit einem gemeinsamen, mit Arsen vergiftetem Essen umbringen wollen. Aber es bleibt ein Rest Unsicherheit: wer hat wen umgebracht, wer lügt und wer sagt die Wahrheit, das verraten weder der Text noch die Bilder.
Dashiell Hammett Fliegenpapier, Detail S. 235 (1976/1982) von Hans HillmannKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Hans Hillmann versteckt viele Anspielungen in seinen Zeichnungen – hier das Porträt des Autors Dashiell Hammett.
Trailer zur neuen Erscheinung von FLIEGENPAPIER beim avant-verlag, Musik und Montage von Itay Dvori (2015) von Itay DvoriKunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
Komponist und Musiker Itay Dvori hat das Comic-Konzert erfunden, indem er Graphic Novels vertonte und aufführte. Im Winter 2016 gründete er das yam yabasha ensemble, das neuartige Improvisationsprojekte wagen möchte. Premiere feierte das Ensemble mit seinem ersten Programm „Fliegenpapier“ – eine Gesamtvertonung mit Sprecher und Jazzquartett von Hans Hillmans grafischer Adaption zu Dashiell Hammetts Erzählung. Weitere Details über die Gesamtvertonung des „Fliegenpapier“ von Itay Dvori unter: https://www.itaydvori.com/de/musik/comic-konzert/fliegenpapier
Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Konzept und Text: Michael Lailach
Umsetzung: Justine Tutmann
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Foto: Dietmar Katz
Trailer: © Itay Dvori
Cover: © avant-Verlag, Berlin
www.smb.museum
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