Maria mit Kind (um 1460) von Antonio RossellinoBode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Antonio Rossellinos „Maria mit Kind“, ca. 1460–70
Der Bildhauer Antonio Gamberelli wurde 1427 in Settignano, einem Vorort von Florenz, geboren und wegen seiner roten Haare Rossellino genannt – Rosso bedeutet Rot auf Italienisch. Er begann in der Florentiner Werkstatt seines älteren Bruders Bernardo zu arbeiten und wurde bald berühmt für seine Darstellungen der Jungfrau und des Kindes, wie hier in dem Meisterwerk aus dem Bode-Museum in Berlin.
Das Marmorrelief verbindet Formen in Hochrelief, wie das Gesicht der Jungfrau, und fast flache Oberflächen, wie der Engel mit dem Kinderkopf und den Flügeln (bekannt als Cherub).
Jesus ist in Stoff gehüllt und trägt ein Kreuz um den Hals – ein Hinweis auf seinen späteren Tod durch Kreuzigung. Seine Mutter stützt mit der linken Hand feinfühlig den Kopf, eine naturalistische Geste, die der Darstellung Intimität verleiht.
Antonio Rossellino hat jedes Detail sorgfältig bearbeitet. Dies wird besonders deutlich in der rechten Armlehne des Throns der Jungfrau, die mit einem Adler geschmückt ist, der möglicherweise auf den Schutzheiligen des Werkes verweist.
Das Werk wurde 1890 von den Berliner Museen in Florenz erworben. Im Kaiser-Friedrich-Museum – so der frühere Name des Bode-Museums – hatte es zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen herausragenden Platz: im Zentrum der Wand, umgeben von Gemälden und Skulpturen aus der florentinischen Renaissance.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Madonna von Rossellino – wie tausende andere Kunstwerke – in einem Flakturm in Friedrichshain in Berlin untergebracht. Im Mai 1945 erlitt der Turm zwei verheerende Brände unbekannter Ursache. Viele Werke wurden für immer zerstört. Andere überlebten den Krieg stark beschädigt – so wie Rossellinos Madonna mit Kind.
Maria mit Kind von Antonio RossellinoBode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Stark zerstört wurde auch eine weitere Madonna mit Kind von Antonio Rossellino aus den Berliner Museen, diese war aus Terrakotta.
Maria mit Kind (Fragment) von Antonio RossellinoBode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Nur das Gesicht der Jungfrau blieb vom Original erhalten. Faszinierend war das Werk immer noch, hatte es doch durch die Zerstörung die mystische Aura afrikanischer Masken oder Portraits aus dem alten Ägypten gewonnen.
1946 wurden die Fragmente des Marmorreliefs von der Roten Armee heimlich in die Sowjetunion überführt und 1958 mit vielen anderen Werken nach Ost-Berlin zurückgebracht. Um die Zusammensetzung wieder lesbar zu machen, hatte man die Fragmente auf eine Marmorplatte montiert. Doch es fehlten viele Teile: der Hauptteil des Hintergrunds, der Schleier der Jungfrau, Teile ihres Knies sowie der Heiligenschein. Nur die Hälfte der Cherubinen waren noch übrig und dem Christuskind fehlte ein Stück seines Mundes. Das Meisterwerk war zur Ruine geworden.
Die zerstörerische Gewalt des Krieges hat zumindest die von König Friedrich Wilhelm III. in Charlottenburg errichtete Gipsabgußgalerie nicht berührt, in der Formen und Abgüsse der Skulpturensammlung aufbewahrt wurden. Auch ein Modell der Madonna mit Kind von Rossellino aus dem Jahr 1902 lagerte hier: Es wurde in Anwesenheit des Originals bemalt und ließ somit die ursprüngliche Farbe des Marmors erkennen. Da sich Charlottenburg im Berliner Westsektor befand, wurde ein Vergleich zwischen diesem Modell und dem Marmorrelief allerdings erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 möglich.
Im Jahr 2012 beschloss das Museum, die fehlenden Teile des ursprünglichen Reliefs mit einem Gipsabdruck zu ergänzen. Dies wurde als ein reversibler Prozess verstanden: Sollte eine zukünftige Generation den fragmentarischen Zustand bevorzugen, können alle Zusätze leicht entfernt werden.
Rossellinos meisterhafte Komposition kann wieder vollständig wahrgenommen werden.
Seine tragische Geschichte sollte jedoch nicht vergessen werden: Aus der Nähe kann man immer noch zwischen dem Original und den hinzugefügten Teilen unterscheiden.
Text: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Daniela Ranzi
Konzept: Daniela Ranzi / Neville Rowley
Redaktion / Umsetzung: Malith C. Krishnaratne
© Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
www.smb.museum
Bode-Museum
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