Massenauswanderung in die Neue Welt

Wie das 19. Jahrhundert zur Ära der deutschen Emigration wurde

Abschied der Auswanderer (1860) von Antonie VolkmarDeutsches Historisches Museum

Das 19. Jahrhundert war geprägt durch massenhafte Auswanderung. Drückende Lebens- und Arbeitsverhältnisse in Europa bewogen viele Menschen dazu, ihr Glück auf anderen Kontinenten zu suchen. Kanada, Australien, Neuseeland, Südamerika, vor allem aber die Vereinigten Staaten von Amerika besaßen als Einwanderungsländer große Anziehungskraft.

Insgesamt verließen im „langen“ 19. Jahrhundert, das heißt zwischen 1820 bis 1912, mehr als 5,5 Millionen Deutsche ihre Heimat.

Erstdruck der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 in deutscher Sprache (06.-08. Juli 1776) von Druck: Steiner und Cist und Verfasser: Thomas Jefferson, Benjamin Franklin, John Adams. Aussteller: John Hancock, Carl Thomson. Übersetzer: Charles CistDeutsches Historisches Museum

Deutsche Auswanderung in die USA begann allerdings nicht erst nach 1800. Bereits zur Zeit der Amerikanischen Revolution im Jahr 1776 sprach ein Drittel der Einwohner Pennsylvanias Deutsch. Die Unabhängigkeitserklärung der USA erschien daher nur zwei Tage nach der englischen Fassung auch in deutscher Sprache.

Die schlesischen Weber (1846) von Carl Wilhelm HübnerDeutsches Historisches Museum

Die USA verhießen den Armen, aber auch den politisch Verfolgten einen Ausweg aus ihrer Lage. Zu einer ersten großen Massenauswanderung kam es zwischen 1815 und 1848. Rund 600.000 Menschen wanderten in dieser Zeit aus, 90 Prozent davon in die USA.

Steigende Bevölkerungszahlen und beginnende Industrialisierung führten zum Pauperismus, das heißt zur Verarmung breiter Teile der Bevölkerung und in der Folge Hunger, Obdach- und Heimatlosigkeit.

Der Sozialist (1885) von Robert KoehlerDeutsches Historisches Museum

Zusätzlich führte das Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848 dazu, dass viele, die für Demokratie und nationale Einigung gekämpft hatten, in die USA emigrierten.

Guter Rath an Einwanderer in die Vereinigten Staaten von Nordamerika (1834) von J. P. Dewis (Autor); W. K. Riedlen (Herausgeber) und J. J. Christen (Verleger)Deutsches Historisches Museum

Deutsche Auswanderer konnten sich anhand von Handbüchern und Ratgebern über das Leben in den USA und die Bedingungen vor Ort informieren. In seinem Ratgeber „Guter Rath an Einwanderer in die Vereinigten Staaten von Nordamerika“ schlägt J. P. Dewis 1834 eine gesellschaftliche Vereinigung eingewanderter, heimatloser Deutscher vor: die Gründung einer "eigenen, ganz gemeinschaftlichen Heimath in dem Staat Pensylvanien".

Der Ratgeber beschreibt einige für die Auswanderung besonders günstige Staaten der Union. Er skizziert die Städte Baltimore, Washington, Cincinnati und New Orleans und endet mit der Beschreibung des Dampfschiffes.

Auswanderungsschein für den Zimmermann Wilhelm Schauf mit Familie aus Lüdenhausen (19. März, 1858) von H. Arensberg und J. H. P. Schröder & Co.Deutsches Historisches Museum

Die meisten Auswanderer waren Kleinbauern oder Handwerker mit ihren Familien. Dieser Passagierschein beispielsweise wurde für einen Zimmermann und seine Familie ausgestellt. Aufgrund der großen Not waren viele Gemeinden sogar bereit, den Auswanderern Zuschüsse zu den Kosten der Überfahrt zu leisten.

Die Poststube (1859) von Felix SchlesingerDeutsches Historisches Museum

Die lange und strapaziöse Reise zu den Auswandererhäfen Hamburg oder Bremerhaven begann für viele Auswanderer in einer Poststation.

In diesem Gemälde ist die Poststelle als "Passagier-Stube" gekennzeichnet. Vor der Tür steht bereits die wartende Kutsche. Links von der Tür befindet sich der Kutscher im Gespräch mit dem Ticketverkäufer, dessen blaue Ärmelaufschläge und Kragen ihn als Postbeamten ausweisen.

Ein Plakat an der Wand wirbt für Überfahrten nach Amerika mit New York als Ziel.

"Aus den Judenverfolgungen in Rußland: Ein Zug nach Westen" (um 1882) von Gustaf Broling (Inventor)Deutsches Historisches Museum

In der Zeit zwischen 1880 und 1914 wanderten über 2 Millionen ost- und südosteuropäische Juden nach Übersee aus. Viele von ihnen kamen aus dem damals polnischen Galizien.

Bittere Armut und Pogrome führten im späten 19. Jahrhundert auch im Russischen Reich zur Auswanderung jüdischer Einwohner, insbesondere nach dem Pogrom von Odessa im Jahr 1871. Auch die Ermordung des russischen Zaren Alexander II. (1818–1881) hatte diskriminierende Verordnungen und heftige Pogromwellen gegen die jüdische Bevölkerung zur Folge.

Zeitschriftenillustration "Auf dem Auswandererbahnhof in Ruhleben", aus: "Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt" 1895, Nr. 9 (1895) von Werner Zehme (Inventor), Hermann Tafel (Stecher) und Verlag Ernst Keil's NachfolgerDeutsches Historisches Museum

Zu einem Knotenpunkt für Migranten aus dem Osten wurde der Auswandererbahnhof Ruhleben bei Berlin. Hier fanden Registrierung, Gesundheitskontrolle und nach einer Cholera-Epidemie in Hamburg im Jahr 1892, die angeblich russische Auswanderer eingeschleppt hatten, auch die Desinfektion von Migranten statt.

Informationsheft "Jüdische Auswanderung - Korrespondenzblatt für Auswanderungs- und Siedlungsfragen" (1938) von Hilfsverein der Juden in Deutschland (Hg.) und Schmoller und Gordon (Druck)Deutsches Historisches Museum

1901 wurde der »Hilfsverein der deutschen Juden« als religiös neutrale Organisation in Berlin gegründet. Er unterstützte zunächst vor allem osteuropäische jüdische Auswanderer, insbesondere aus Russland und Galizien, und begleitete deren Transit durch das Deutsche Reich. Neben seiner Zentrale in Berlin unterhielt der Verein Filialen in Hamburg und Bremen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 kümmerte sich der Hilfsverein insbesondere um aus Deutschland vertriebene und zur Emigration gezwungene Juden. Diese Informationsschrift stammt aus dem Jahr 1938.

Besatzungsmitglieder und Auswanderer an Deck des Hochseepassagierdampfers Bremen II (1909) von Richard FleischhutDeutsches Historisches Museum

Bei ihrer Fahrt über den Atlantik waren Auswanderer in den oft überfüllten Zwischendecks der Reiseschiffe untergebracht. In diesen häufig sehr niedrigen Räumen hatten sie kaum mehr als einen Quadratmeter für sich als Schlaf-, Ess- und Aufenthaltsfläche. Die kümmerlichen hygienischen und medizinischen Bedingungen ließen die 40- bis 80-tägige Überfahrt zu einer Qual werden.

Auswanderer an Bord des Hochseepassagierdampfers "Bremen II" (1909) von Richard FleischhutDeutsches Historisches Museum

Erst mit dem vermehrten Einsatz moderner Dampfschiffe in den 1890er Jahren, verkürzte sich die Reisezeit auf etwa zwei Wochen.

Untergang des Auswandererschiffes "Austria" am 13. September 1858 (1858) von Josef Carl Berthold PüttnerDeutsches Historisches Museum

Die Auswanderung nach Übersee im 19. Jahrhundert war gefährlich und voller Unwägbarkeiten. Bisweilen endete sie auch in einer Katastrophe wie bei der völlig überbelegten „Austria" während ihrer Überfahrt von Hamburg nach New York.

Durch Leichtsinn brach am 13. September 1858 auf dem Schiff ein Feuer aus, nachdem zur Desinfektion des Zwischendecks statt Essig zum Auswaschen Teer zum Ausräuchern verwendet wurde und ein benutztes Gefäß umgestürzt war. Nur 89 der insgesamt 542 Passagiere konnten von anderen Schiffen gerettet werden.

Brief des Auswanderers Sebastian Fritz an seine Familie (9. September 1854) von Sebastian Fritz und C. Magnus (Druck)Deutsches Historisches Museum

Am Ziel der Reise angekommen, stellten Briefe die einzige Verbindung in die "Alte Welt" dar. In ihnen berichteten die Auswanderer über ihre Erfahrungen, den Alltag und die Lebensgewohnheiten in der Fremde. Oft beinhalteten die Briefe auch Erfolgsgeschichten, die in den Heimatorten Verwandte und Bekannte zur Auswanderung motivierten.

Ein Brief aus Amerika (um 1860) von Berthold WoltzeDeutsches Historisches Museum

Dieses Gemälde von Berthold Woltze zeigt, wie die Daheimgebliebenen frohe Kunde aus der neuen Welt erhalten. Die Familie ist um den Tisch versammelt, um gemeinsam den Brief aus Amerika zu lesen.

Die letzten Zeilen sind auf der Rückseite erkennbar. Dort ist zu lesen: "...[wer] de ich soviel Geld haben, dass ihr auch herkommen könnt. Es grüßt euch euer Johannes, Chikago, d. 2/1 86".

Auch wenn einige Auswanderer zurückkehrten, die Überfahrt in die USA bedeutete für die meisten einen dauerhaften Abschied von der Heimat.

Mitwirkende: Geschichte

Konzept & Redaktion: Björn Schmidt/DHM.

Textquellen:

Dorlis Blume, Christiana Brennecke,
Ursula Breymayer und Thomas Eisentraut (Hg.)
für das Deutsche Historische Museum: Europa und das Meer, München 2018. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung.

Quelle: Alle Medien
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